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Der Wolfsthron: Roman

Der Wolfsthron: Roman

Titel: Der Wolfsthron: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cinda Williams Chima
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mir alles zu erklären.«
    »Wieso sollte ich dir irgendetwas erklären?«, fragte Crow und kniff die Augen zusammen. »Du hast deutlich mehr von unserer Zusammenarbeit profitiert als ich. Ich habe dir die Möglichkeit gegeben, die beiden Bayars ein für alle Mal loszuwerden, und du hast es verpfuscht.«
    »Schön«, sagte Han. »Schätze, das hier ist reine Zeitverschwendung. Dann also auf Wiedersehen.« Er nahm sein Amulett und öffnete den Mund, als wollte er die Worte sprechen, die den Zauber beendeten.
    »Warte.« Crow hob die Hände und ließ sie dann langsam wieder sinken. Diesmal hatte er auf seine übliche extravagante Aufmachung verzichtet. »Bitte bleib.«
    Han stand mit der Hand am Amulett da und wartete.
    »Soll ich dir etwas ganz Bestimmtes erklären?«, fragte Crow seufzend. »Nur, damit wir nicht unnötig Zeit vergeuden.«
    »Ich möchte wissen, wer du bist und wieso du nicht willst, dass ich weiß, wer du bist. Ich möchte wissen, warum du so einen Groll gegen die Bayars hegst und dich mit mir zusammentun wolltest«, sagte Han. »Das reicht erstmal für den Anfang.«
    Crow rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Stirn. Er wirkte ziemlich mitgenommen. »Würde es nicht reichen, wenn ich dir verspreche, dich in Zukunft nicht mehr wie einen Dummkopf zu behandeln?«
    Han schüttelte den Kopf. »Nein, das reicht nicht.«
    »Du würdest mir die Wahrheit nicht glauben, selbst wenn ich sie dir erzähle«, sagte Crow. »So ist es immer. Die Leute beschränken sich ohne Not, und dann versuchen sie, dich zu beschränken.«
    »Bis jetzt hab ich noch nichts von dem erfahren, was ich wissen will«, stellte Han fest. »Und ich bin kein sehr geduldiger Mensch.«
    »Ich auch nicht«, gab Crow zurück. »Und doch musste ich über einen sehr viel längeren Zeitraum, als du dir vorstellen kannst, unglaublich geduldig sein.« Er dachte einen Moment nach. »Wer ich bin? Ich war einmal der Feind der Bayars. Ihr größter Rivale.«
    Han war inzwischen klar, dass er die ganze Geschichte nur häppchenweise und in Rätseln aufgetischt bekommen würde. »Und jetzt bist du das nicht mehr?«, fragte Han.
    Crow lächelte schwach. »Ich denke, man könnte sagen, dass ich ein Schatten meiner selbst bin. Ein Geist meines früheren Ichs. Ein Überrest desjenigen, der ich einmal zu sein pflegte, nur noch aus Erinnerungen und Gefühlen bestehend. Die Bayars nehmen mich nicht mehr als Bedrohung wahr. Und doch«, er tippte sich an die Schläfe, »habe ich etwas, das sie furchtbar gern hätten.«
    »Wissen«, vermutete Han. »Du weißt etwas, das sie wissen müssen.«
    »Ich weiß etwas, das sie wissen müssen, und ich habe vor, es einzusetzen, um sie zu vernichten«, sagte Crow nüchtern. »Das ist der Grund für meine Existenz.«
    Han verstand nicht so recht. »Wenn du sagst, dass du ein Geist deines früheren Ichs bist, was meinst du damit genau?«
    Crows Gestalt begann zu schimmern, und dann löste sich das Bild auf und setzte sich neu zusammen. »Das ist alles, was noch von mir übrig ist«, sagte er. »Ich bin eine Illusion. Ich existiere in deinem Kopf, Alister. Und in Aediion, dem Treffpunkt der Magier. Nicht in der Welt, die du als wirklich bezeichnest.«
    »Willst du damit sagen, dass du … tot bist?« Han starrte Crow an. »Das ergibt keinen Sinn.« Zumindest passte es nicht mit dem zusammen, was man ihm im Tempel beigebracht hatte. Aber andererseits hatte er nie behauptet, sich mit Religionen auszukennen.
    Crow zuckte mit den Schultern. »Was bedeutet es, tot zu sein? Den Körper zu verlieren? Den Lebensfunken zu verlieren? Wenn das der Maßstab ist, dann bin ich tot. Oder bedeutet Leben die Fortdauer der Erinnerung und des Gefühls, des Willens und des Verlangens?«, sprach Crow weiter, als würde er ein Selbstgespräch führen. »Wenn das der Maßstab ist, bin ich sogar sehr lebendig.«
    »Aber du hast keinen Körper.«
    Crow lächelte. »Ganz genau. Ich habe keinen physischen Körper, nichts, was über das hinausgeht, was ich in Aediion heraufbeschwören kann. Aber ein Körper ist nötig, um in der wirklichen Welt etwas erreichen zu können. Ein Körper ist nötig, um sich an den Bayars rächen zu können. Genauer gesagt, der Körper eines Magiers – der mir die Möglichkeit geben würde, mein beträchtliches Wissen über Magie anzuwenden.«
    »Und so bin ich ins Spiel gekommen«, ergänzte Han. »Ich könnte den Körper zur Verfügung stellen, den du brauchst.«
    »Und so bist du ins Spiel gekommen«, bestätigte Crow.

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