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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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seinem Doktortitel kommen?
Indem er sich seine Arbeit gegen Bezahlung von einem Wissenschaftsagenten schreiben ließ; bei Doks aus der Xec-Schicht ein sehr beliebter Weg zum Erfolg. Die Chemikalien, mit denen der Aufstieg von Yoona~939 und mir eingeleitet wurde, waren genauso vorformuliert wie die Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Boom-Sook hätte nicht mal die biomolekularen Eigenschaften von Zahnpasta aufzählen können. In neun Monaten setzte er mich keinem anstrengenderen ‹Xperiment› aus, als das Labor zu putzen und ihm Tee zu kochen. Neue Daten hätten die gekauften trüben können; er hätte riskiert, als Schwindler entlarvt zu werden. Meine Anwesenheit war notwendig, um seiner gestohlenen Forschungsarbeit das Mäntelchen der Glaubwürdigkeit umzuhängen.
Das also waren die Bedingungen meines neuen Lebens, und verglichen mit dem Dasein im Papa Song gefielen sie mir gut. Wenn mein Dok nicht da war, konnte ich in Ruhe lernen, ohne befürchten zu müssen, entdeckt zu werden. Boom-Sook kam nur alle zwei Tage gegen Stunde Vierzehn in sein Labor, um den nächsten Schwung aufbereiteter Daten auf seinen Sony zu kopieren.
     
    Wusste Boom-Sooks Doktorvater von diesem geistigen Diebstahl?
Professoren hängen zu sehr an ihrer Festanstellung, als dass sie die Söhne künftiger Vorstände dem Skandal preisgeben würden.
     
    Sprach Boom-Sook denn nie mit dir? Oder kommunizierte er auf andere Weise?
Er sprach mit mir, wie Reinblüter mit einer Katze sprechen. Es machte ihm Spaß, mich mit Fragen zu bombardieren, von denen er glaubte, ich verstünde sie nicht: Sag ich meinem Vater jetzt, er soll den Kopf in seinen Demokratenarsch stecken, oder lieber nicht, Sonmi? Oder: He, Sonmi, glaubst du, es lohnt sich, wenn ich mir die Zähne azurisieren lasse, oder ist Saphir nur eine vorübergehende Mode? Er erwartete keine sinnvollen Antworten; ich enttäuschte ihn nicht. Meine Antwort kam so standardmäßig, dass Boom-Sook mir schnell den Spitznamen ‹Ich-weiß-nicht-Herr~451› verpasste.
     
    Dann bemerkte neun Monate lang niemand etwas von deiner xplosionsartigen Entwicklung?
Die Einzigen, die Boom-Sook Kim regelmäßig besuchten, waren Min-Sic und Fang. Fangs richtiger Name wurde in meiner Gegenwart nie ausgesprochen. Sie prahlten mit ihren neuen Fords und Suzukis und spielten Poker. Es hat keinen Sinn, ihre Gesichter zu beschreiben: Sie gingen jeden Monat zum Facedesigner. Die drei Doks gehörten zu der Sorte Reinblüter, die einen Duplikanten höchstens in einem Trosthaus in Huamdonggil bemerken. Boom-Sooks Labornachbar Gil-Su Noon, ein Subschicht-Dok mit Stipendium, hämmerte ab und zu gegen die Wand, um sich über den Lärm zu beschweren, aber die drei Xecs hämmerten umso lauter zurück. Ich sah Gil-Su Noon nur ein-, zweimal.
     
    Was ist Poker?
Ein Kartenspiel, das von ausbeuterischen Lügnern gespielt wird, die so tun, als wären sie Freunde. Fang nahm Boom-Sooks und Min-Sics Seelen in den Pokerpartien viele tausend Dollar ab. Manchmal, wenn sie Xec-Drogen nahmen, schickte Boom-Sook mich hinaus; er sagte, ich mache ihn nervös, wenn er high sei. Dann ging ich hinauf aufs Dach, setzte mich in den Schatten des Wassertanks und sah den Mauerseglern bei der Jagd nach Riesenmücken zu, bis es dunkel wurde und das Dok-Trio weg war.
     
    Warum bist du Wing~027 nie wieder begegnet?
An einem schwülen Nachmittag, drei Wochen nach meiner Ankunft in Taemosan, las Boom-Sook in einem Facedesign-Katalog, als es plötzlich an der Tür klopfte. Wie ich schon sagte, bekam er nur äußerst selten unangemeldeten Besuch. Er rief ‹Herein!› und schob den Katalog rasch unter ein Buch mit dem Titel Angewandte Genomik . Im Gegensatz zu mir hatte er es nie gelesen.
Ein drahtiger Student machte mit dem großen Zeh die Tür auf. Er nannte Boom-Sook ‹Bumm-Bumm›. Mein Dok sprang erschrocken auf; dann fläzte er sich erleichtert wieder hin. ‹He, Hae-Joo›, sagte er betont lässig, ‹wie geht’s?›
Der Besucher sagte, er sei nur gekommen, um kurz Hallo zu sagen, und setzte sich auf den Stuhl, den Boom-Sook ihm anbot. Ich hörte mit, dass die beiden auf dem Gymnasium in eine Klasse gegangen waren und dass Hae-Joo Im jetzt in Taemosan Eintracht studierte. Während ich dem Besucher ein Glas Tee holte, unterhielten sie sich über allerlei banale Themen. Dann sagte Hae-Joo Im: ‹Hast du schon gehört, was deinem Freund Min-Sic Schreckliches passiert ist?›
‹Nein›, antwortete Boom-Sook, und er würde Min-Sic auch nicht unbedingt als

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