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Der Wolkenatlas (German Edition)

Der Wolkenatlas (German Edition)

Titel: Der Wolkenatlas (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mitchell
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schickte sie fünf Jahre lang jeden Sommer in die Reiterferien. Und jetzt sieh sie dir an. Aus ihr ist trotzdem ein zweiter Lester geworden. Sie gibt Luisa einen Kuss auf die Stirn. Luisa siehtsie an wie ein argwöhnischer Teenager. «Was?»
     
    57
     
    Luisa Rey betritt das Snow White Diner, um den letzten Kaffee ihrer Spyglass -Zeit zu trinken und sich von Bart zu verabschieden. Der einzige freie Platz befindet sich neben einem Mann, der sich hinter dem San Francisco Chronicle versteckt. Gute Zeitung , denkt Luisa und setzt sich zu ihm. «Morgen», sagt Dom Grelsch.
    In Luisa flammt der Revierneid auf. «Was machen Sie denn hier?»
    «Auch Chefredakteure müssen essen. Ich komme jeden Morgen hierher, seit meine Frau … na ja. Ich kann zwar Waffeln in den Toaster stecken, aber …» Er zeigt auf seine Kalbskoteletts.
    «Ich habe Sie noch nie hier gesehen.»
    «Kunststück, er ist auch schon ’ne Stunde weg, wenn Sie hier antanzen», sagt Bart, während er drei Sachen gleichzeitig macht. «Wie immer, Luisa?»
    «Bitte. Warum haben Sie mir das nie gesagt, Bart?»
    «Ich tratsche ja auch nicht weiter, wann Sie so kommen und gehen.»
    «Morgens der Erste in der Redaktion», Dom Grelsch legt die Zeitung zusammen, «und abends der Letzte. Das Los eines Chefredakteurs. Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen, Luisa.»
    «Ich meine mich zu erinnern, dass ich gefeuert bin.»
    «Schluss jetzt, verdammt! Ich will Ihnen nur sagen, wie ich – dass ich es nicht hinnehmen werde, wie Ogilvy Sie abgefertigt hat. Und da ich sowieso schon beim Beichten bin: Ich wusste schon am letzten Freitag, dass Sie auf der Abschussliste stehen.»
    «Schön, dass Sie mich im Voraus informiert haben.»
    Der Chefredakteur senkt die Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern. «Sie wissen doch von der Leukämieerkrankung meiner Frau. Dem Ärger mit der Versicherung?»
    Luisa beschließt, ihm ein Nicken zu gewähren.
    Grelsch nimmt seinen ganzen Mut zusammen. «Letzte Woche bei den Übernahmeverhandlungen … gab man mir Folgendes zu verstehen: Wenn ich vergesse …», es fällt ihm schwer, «… von einem bestimmten Bericht gehört zu haben, würde man gewisse Beziehungen bei meiner Versicherung spielen lassen.»
    Luisa beherrscht sich. «Und Sie vertrauen darauf, dass diese Leute ihr Wort halten?»
    «Am Sonntagmorgen ruft mich plötzlich Arnold Frum an, mein Sachbearbeiter. Verzeihung wegen der Störung, bla bla bla, aber es werde uns sicher interessieren, dass die Blue Shield ihre Entscheidung revidiert habe und sämtliche Krankenhauskosten meiner Frau übernehmen werde. Ein Scheck für die bereits geleisteten Zahlungen sei schon unterwegs. Wir können sogar unser Haus behalten. Ich bin nicht stolz darauf, aber ich schäme mich auch nicht, dass ich meine Familie über die Wahrheit gestellt habe.»
    «Die Wahrheit heißt verstrahlter Regen auf Buenas Yerbas.»
    «Wir alle treffen unsere Entscheidungen, indem wir die verschiedenen Risiken abwägen. Wenn ich meine Frau dadurch schützen kann, dass ich eine Winzigkeit zu einem möglichen Unfall auf Swannekke beitrage, dann muss ich damit leben. Ich wäre verdammt froh, wenn auch Sie ein bisschen mehr darüber nachdächten, welches Risiko Sie eingehen, indem Sie sich mit diesen Leuten anlegen.»
    Plötzlich sind die Erinnerungen an die qualvollen Augenblicke unter Wasser wieder da, und Luisa bleibt kurz das Herz stehen. Bart stellt ihr einen Kaffee hin.
    Grelsch schiebt ein maschinenbeschriebenes Blatt Papier über den Tresen. Darauf stehen zwei Spalten mit jeweils sieben Namen. «Raten Sie mal, was das ist.» Zwei Namen stechen hervor: Lloyd Hooks und William Wiley.
    «Vorstandsmitglieder von Trans Vision?»
    Grelsch nickt. «Fast. Die Namen von Vorstandsmitgliedern sind öffentlich. Dies ist eine Liste mit geheimen Beratern, die von Trans Vision bezahlt werden. Die eingekringelten Namen dürften Sie interessieren. Hooks und Wiley. Dumm und geldgierig, das kostet sie den Kopf.»
    Luisa faltet die Liste und steckt sie ein. «Jetzt muss ich Ihnen wohl dankbar sein.»
    «Der alte Stinker Nussbaum hat das ausgegraben. Eine Sache noch. Kennen Sie Fran Peacock vom Western Messenger ?»
    «Nur vom Hallosagen bei oberflächlichen Medienpartys.»
    «Fran und ich kennen uns schon seit ’ner Ewigkeit. Gestern Abend war ich bei ihr in der Redaktion und habe ihr die wesentlichen Punkte Ihrer Story geschildert. Ich war sehr zurückhaltend, aber sobald Sie Beweise haben, die den Kampf lohnen, würde sie gerne mehr

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