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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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diesem Abend, auf dem für sie fremden Anwesen der Kumazawas, hatte sie es für besser gehalten, den Dolch griffbereit zu haben. Der Mann stürzte sich auf Chiyo. Sie hob schützend die Hände, als der Fremde das Schwert hob und zum tödlichen Schlag ausholte. Noch bevor die Klinge heruntersausen konnte, stach Reiko mit dem Dolch zu. Die Klinge schlitzte dem Fremden den Bauch auf.
    Er heulte auf, ließ das Schwert fallen, sank auf die Knie und starrte auf die Wunde. Blut, vermischt mit Regenwasser, ergoss sich auf den Boden.
    Fumiko hatte sich ängstlich in eine Ecke gedrückt. Sie hatte die Hand vor den Mund geschlagen und starrte auf den Fremden.
    »Hilfe!«, rief Chiyo. »Hilfe!«
    Der Eindringling drehte den Kopf und starrte Reiko durch die Löcher in der Kapuze an. In seinen Augen funkelten Hass und Wut. Er rappelte sich auf und griff nach seinem Schwert, doch er taumelte kraftlos zur Seite. Sein Blick wurde tot und leer, als er über den Spielkarten zusammenbrach, die sich von seinem Blut rot färbten.
    Reiko hörte Männerstimmen rufen. Schnelle Schritte näherten sich draußen auf dem Flur. Dann stürzte Major Kumazawa ins Zimmer, ein Schwert in der Hand, gefolgt von seinen Wachsoldaten. Kumazawa war barfuß und trug ein Nachtgewand. Er wies mit dem Schwert auf den Toten.
    »Was ist passiert?«, wollte er wissen. »Wer ist dieser Mann?«
    Reiko brachte kein Wort heraus. Ihr wurde plötzlich schwindelig, und sie rang nach Atem. Sie hatte das unheimliche Gefühl, als wäre die Zeit rückwärtsgelaufen und als hätte sie einen früheren Überfall noch einmal durchlebt, den Überfall, bei dem ihre Kinder um ein Haar getötet worden wären.
    Fumiko wies auf die Kapuze des Toten. »Das ist der Mann, der uns entführt hat!«, rief sie mit schriller Stimme. »Er ist wiedergekommen, um uns zu holen, genau wie er gesagt hat!«

33.

    Sano erwachte aus tiefem Schlaf, blickte sich benommen um und sah Ermittler Fukida im Türeingang seiner Kammer stehen, eine Laterne in der Hand. »Es tut mir leid, dass ich störe«, sagte Fukida, »aber ich habe eine dringende Nachricht von Eurer Gemahlin.«
    Sano war sofort hellwach. »Was ist los?« Er setzte sich im Bett auf. »Ist ihr etwas passiert?«
    »Nein«, antwortete Fukida, »aber es gab einen Überfall auf Reiko -san und die beiden anderen Frauen. Reiko bittet Euch, sofort zur Villa von Major Kumazawa zu kommen.«
    Sano zog sich rasch etwas über. Als er durch die Empfangshalle zur Tür eilte, traf er auf Masahiro. »Wo geht du hin, Vater?«, fragte der Junge und rieb sich die müden Augen.
    »Ich hole deine Mutter«, antwortete Sano. »Mach dir keine Sorgen, es geht ihr gut. Geh jetzt wieder ins Bett. Meine Leute und ich sind bald zurück.«
    Begleitet von Marume, Fukida und mehreren Begleitsoldaten ritt Sano durch die dunkle, schlafende Stadt. Die Tore zwischen den Wohnvierteln waren längst geschlossen für die Nacht, doch Sano und seine Leute trugen das Wappen der Tokugawa auf ihrer Kleidung, sodass die Wachsoldaten sie passieren ließen. Nach einem schnellen Ritt über die Fernstraße erreichten Sano und sein Trupp das Kumazawa-Anwesen.
    Die Villa war so hell erleuchtet, als stünde sie in Flammen. Laternen und Fackeln brannten entlang der Mauer und am Tor; weitere Lichter flackerten auf dem Innenhof. Rauch stieg in die dunstige Nacht. Kumazawas Wachsoldaten ließen Sano und seine Leute auf das Gelände. Als sie im Hof von den Pferden stiegen, kam Reiko in ihrem Nachtgewand aus der Villa. Sie war ungeschminkt und ungekämmt und wirkte verängstigt, schien aber keine Verletzungen davongetragen zu haben.
    »Was ist geschehen?«, fragte Sano.
    Reiko erzählte ihm von dem Angriff des Fremden. Sano hörte ihr mit wachsendem Entsetzen zu, als sie ihm berichtete, dass sie den Angreifer ausgeschaltet hatte. Einen anderen Menschen zu töten, und sei es in Notwehr, war eine grausame Erfahrung, wie Sano aus eigenem Erleben wusste.
    »Wo ist Chiyo?«, fragte er. »Und Fumiko?«
    Reiko, vom vielen Reden und von den schrecklichen Ereignissen erschöpft, wies stumm auf die Villa, wo Chiyo und Fumiko auf der Veranda erschienen. Beide wirkten erschüttert, schienen aber unverletzt zu sein. Hinter ihnen trat Major Kumazawa aus der Tür. Er trug eine Lederrüstung, einen Waffenrock und seine Schwerter, als wollte er in die Schlacht ziehen.
    »Meiner Tochter und dem Mädchen ist nichts geschehen«, sagte er, nachdem er zu Sano herübergekommen war. »Aber wäre Eure Gemahlin nicht gewesen,

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