Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
nicht!« Die Furcht auf Jojus Gesicht wich einem Ausdruck der Empörung. »Als ich Priester wurde, habe ich das Gelübde abgelegt, niemandem ein Leid zuzufügen. Außerdem habe ich mich dem Zölibat unterworfen.«
    »Gelübde kann man brechen.«
    »Meines nicht!«, rief Joju, strotzend vor Scheinheiligkeit. »Bei der Arbeit, der ich mich verschrieben habe, müssen das Herz, der Verstand und der Körper rein sein. Wäre ich der Entführer und Vergewaltiger, würden die Geister nicht mehr mit mir reden.«
    Marume lachte. »Das ist der stichhaltigste Unschuldsbeweis, der mir jemals untergekommen ist.«
    »Allerdings«, pflichtete Sano ihm bei. »Aber vielleicht kann der ehrenwerte Joju mit einem Argument aufwarten, das ein bisschen mehr dem Diesseits verhaftet ist.« Er fragte den Priester, was er gemacht hatte an den Tagen, als die Frauen entführt wurden.
    »Das weiß ich nicht mehr genau«, antwortete Joju. »Wahrscheinlich habe ich gebetet, habe Geister ausgetrieben und bin den vielen anderen Pflichten im Tempel nachgekommen, die ich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang zu erfüllen habe.«
    »Und nach Sonnenuntergang?«, fragte Sano.
    »Da schlafe ich.«
    »Kann jemand Eure Aussagen bestätigen?«
    »Die Mönche, die Bediensteten und die anderen Priester hier im Tempel. Außerdem die Leute, bei denen ich Geister ausgetrieben habe. Und es kommen noch einige Regierungsbeamte hinzu.«
    »Ich brauche eine Liste von allen diesen Leuten«, sagte Sano.
    »Ich werde Euch diese Liste gern beschaffen. Außerdem werde ich Euch mehrere Schreiben zukommen lassen, in denen Euch mein untadeliger Charakter bestätigt wird.« Joju lächelte tückisch. »Übrigens, der Shōgun wird ganz oben auf der Liste stehen. Ist Euch bekannt, dass Tokugawa Tsunayoshi einer meiner Gönner ist?«
    »Allerdings.« Sano wusste, dass der Shōgun großes Interesse an der Religion im Allgemeinen und an der Mystik im Besonderen hatte. Doch erst jetzt wurde ihm klar, dass Joju als Günstling des Shōgun eine besondere Stellung einnahm und dass das seine Ermittlungen sehr erschweren könnte.
    Das Verhältnis des Shōgun zu seinen Lieblingspriestern war oft enger als das zu seinen obersten Gefolgsleuten. Es stand keineswegs fest, auf wessen Seite der Herrscher sich stellen würde, sollte es zu einer Auseinandersetzung zwischen Sano und Joju kommen.
    Joju lachte übermütig. »Dann brauche ich Euch ja nicht zu sagen, dass Ihr mit Verdächtigungen gegenüber meiner Person sehr vorsichtig sein solltet.«

32.

    Nach Einbruch der Dunkelheit, als die Nachtwachen über das Gelände patrouillierten, kehrte Sano in den Palast zu Edo zurück. Donner grollte in der Ferne. Als Sano und seine Leute vor dem Tor seines Anwesens aus dem Sattel stiegen, kam Hirata zu ihnen geritten. Ein kurzer Blick in das Gesicht seines Freundes zeigte Sano, dass auch bei Hirata nicht alles so gelaufen war, wie dieser gehofft hatte.
    Als Sano mit Hirata in der Schreibstube kniete, schenkte er ihnen beiden Sake ein. »Irgendwelche Neuigkeiten?«, fragte er.
    »Meine Leute und ich haben den ganzen Tag nach den Fahrern der Ochsenkarren gesucht. Leider haben wir noch keine Spur von ihnen gefunden«, antwortete Hirata.
    Das war keine gute Nachricht, aber Sano spürte, dass es noch schlimmer kam. »Was ist mit Ogita?«, fragte er.
    »Er beteuert seine Unschuld. Und er hat ein Alibi für jede Tatzeit.« Hirata berichtete in knappen Worten von seinem Gespräch mit dem Reisgroßhändler.
    Sano zuckte mit den Schultern. »Damit hatten wir gerechnet«, sagte er. »Hast du seine Alibis schon überprüft?«
    Hirata zögerte. »Nein.«
    »Warum nicht?«, fragte Sano verwundert.
    »Drei Eurer wichtigsten Verbündeten haben Schulden bei Ogita. Wenn ich ihn nicht in Ruhe lasse, will er sein Geld bei diesen Leuten einfordern.«
    Das war eine ernste Bedrohung, die fatale politische Konsequenzen nach sich ziehen konnte. Dennoch erklärte Sano: »Ich werde mich durch Erpressungen nicht aufhalten lassen.«
    »Ich wusste, dass Ihr so denkt«, sagte Hirata, »aber als Euer oberster Gefolgsmann muss ich Euch raten, bei Ogita vorsichtig zu sein. Außerdem ... vielleicht ist er ja wirklich unschuldig. Deshalb schlage ich vor, wir konzentrieren uns zuerst auf die anderen möglichen Täter.«
    »Auch das könnte problematisch werden«, entgegnete Sano und berichtete Hirata von seinen Begegnungen mit den anderen Verdächtigen. »Nanbu verbarrikadiert sich immer noch im Hundezwinger bei seinen Bestien und weigert

Weitere Kostenlose Bücher