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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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wären die beiden jetzt tot.«
    In seiner Stimme lagen Erleichterung und Dankbarkeit gegenüber Reiko, aber auch Wut über den Angriff auf sein Haus. »Der Mann ist über die Mauer geklettert, wir haben das Seil gefunden, das er benutzt hat. Dann hat er zwei meiner Wachen getötet und ist ins Haus eingedrungen. Offenbar war er ein berufsmäßiger Auftragsmörder.«
    »Wo ist der Tote?«, fragte Sano.
    »Auf dem Hinterhof«, erwiderte Kumazawa. »Eure Gemahlin hat darauf bestanden, die Leiche nicht eher zu beseitigen, als bis Ihr sie Euch angeschaut habt.«
    Sano warf Reiko einen dankbaren Blick zu. Trotz ihrer elenden Verfassung brachte sie ein knappes Lächeln zustande.
    »Ich möchte mir den Toten anschauen«, sagte Sano zum Major.
    »Gewiss.« Kumazawa nahm eine Lampe von einem Wandhaken und stieg die Verandastufen hinunter. »Kommt mit.«
    Er führte Sano um die Villa herum, dann durch einen Garten und durch ein Tor. Marume und Fukida begleiteten Sano und den Major am Küchengebäude vorbei bis zu einem kleinen, von einem Zaum umschlossenen dunklen Hof. Kumazawas Lampe beleuchtete Mülltonnen, die nach verrottetem Fisch stanken, und die schemenhafte Gestalt eines Menschen, über die eine Decke gebreitet war. Fukida schlug die Decke zurück. Ein jüngerer, drahtiger Mann kam zum Vorschein, offenbar ein Samurai, denn sein Scheitel war rasiert. Er hatte ein ovales Gesicht und lange, dichte Wimpern. Seine Augen waren geschlossen. Sein grauer Kimono und die Hose waren von seinem eigenen Blut durchtränkt. Auf der Kleidung befand sich kein Wappen, das Rückschlüsse auf seinen Herrn erlaubt hätte. Der Mann war Sano unbekannt.
    »Kennt Ihr ihn?«, fragte er den Major.
    »Nein«, antwortete Kumazawa. »Ich habe ihn noch nie gesehen. Ebenso wenig meine Tochter und Eure Gemahlin; ich habe sie bereits gefragt. Nur Fumiko dachte anfangs, sie würde ihn kennen, aber sie hat sich von der Kapuze täuschen lassen. Offenbar war der Entführer ähnlich maskiert. Jedenfalls hat sie ihre Meinung wieder geändert, nachdem sie das Gesicht des Mannes gesehen hat.«
    Auch Marume und Fukida hatten den Attentäter noch nie gesehen. Fukida deckte die Leiche wieder zu.
    »Gibt es jemanden, der etwas gegen Eure Familie haben könnte?«, wollte Sano von Kumazawa wissen.
    »Niemanden, der so dreist wäre, in mein Haus einzubrechen.«
    »Wir müssen herausfinden, wer der Tote ist.« In Sano stieg Besorgnis auf, denn er hatte eine Ahnung, was der Grund für den Anschlag gewesen sein könnte.
    »Es wird bald Tag«, sagte Fukida. »Sollen wir die Leiche auf ein Pferd laden und sie den Nachbarn zeigen, ob einer von ihnen den Toten erkennt?«
    »Das können ein paar von meinen Begleitsoldaten übernehmen«, erwiderte Sano. Das entsprach zwar nicht der üblichen Vorgehensweise, aber er musste alles versuchen, um die Identität des Toten zu ermitteln. Sano hoffte nur, dass er damit mehr Erfolg hatte als bei seinem Experiment im Gefängnis von Edo. »Sagt den Männern, sie sollen den Körper bedecken. Es muss reichen, wenn nur das Gesicht zu sehen ist.«
    Die Ermittler machten sich auf den Weg. Sano und Major Kumazawa gingen wieder zur Villa zurück.
    »Ich bin sicher, der Angriff hat mit Euren Ermittlungen zu tun«, meinte Kumazawa.
    »Das glaube ich auch«, erwiderte Sano. »Ich bin sicher, der Meuchelmörder sollte Chiyo töten, damit sie den wahren Täter, der sie entführt und missbraucht hat, niemals identifizieren kann.«
    »Ihr glaubt nicht, dass der Angreifer der Vergewaltiger war?«
    »Ich glaube, der Mann wurde von den wahren Schuldigen mit einem Mordauftrag hierher geschickt.«
    »Ihr meint diese Ochsenkarrenfahrer?«, fragte Kumazawa, in dessen Stimme Zweifel lagen.
    Sano schüttelte den Kopf. »Nein. Als ich nach den beiden gefahndet habe, bin ich auf drei neue Verdächtige gestoßen, die meines Erachtens eher als Täter infrage kommen.«
    Er berichtete Kumazawa von Nanbu, dem Aufseher der Hundezwinger des Shōgun, von Ogita, dem Reisgroßhändler, und von Joju, dem Geisteraustreiber. Überrascht blieb Kumazawa stehen und funkelte Sano an. »Wann habt Ihr das herausgefunden?«
    »Erst gestern«, antwortete Sano.
    »Und Ihr habt mir nichts davon gesagt?« Kumazawa war verärgert. »Ich dachte, Ihr haltet mich über den Fortgang der Ermittlungen auf dem Laufenden!«
    »Das habe ich soeben getan, falls es Euch entgangen ist.« Sano hatte zwar Verständnis dafür, dass Kumazawa nicht im Dunkeln gelassen werden wollte, doch er musste seinen

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