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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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»Sie gehören zu der Mannschaft, der ich befohlen habe, die Fahrer der Ochsenkarren zu beobachten.«
    Sano wurde von einem unguten Gefühl beschlichen. Dann fielen die jungen Männer auch schon vor ihm auf die Knie und gestanden: »Wir haben die beiden Verdächtigen aus den Augen verloren, Herr!« Die jungen Samurai waren am Boden zerstört, weil sie bei der Ausübung ihrer Pflicht versagt hatten.
    »Im Namen meiner Männer bitte ich um Vergebung«, sagte Hirata, der sichtlich bedrückt war, Sano enttäuscht zu haben. »Auch wenn ich weiß, dass ich damit nichts wiedergutmachen kann.«
    Sano verzichtete darauf, Hirata zu tadeln; damit wäre auch nichts gewonnen. Stattdessen sagte er zu den Samurai: »Erzählt mir, was geschehen ist.«
    »Die beiden Fahrer sind zur Arbeit gegangen«, sagte Kurita. »Sie halfen beim Bau einer Brücke über einen Kanal. Wir haben sie beobachtet, als plötzlich die Brücke einstürzte.«
    »Es waren gerade viele Leute darauf«, fügte Konoe hinzu. »Sie sind alle ins Wasser gefallen, und Balken und Bretter sind auf sie gestürzt. Es war ein heilloses Durcheinander. Am Ufer sind die Leute erschrocken umhergerannt, um Hilfe zu holen. In dem Durcheinander haben wir die Verdächtigen aus den Augen verloren.«
    »Und als der erste Schreck sich gelegt hatte, waren sie spurlos verschwunden«, sagte Kurita.
    »Ehrenwerter Kammerherr«, erklärte Konoe steif und förmlich. »Wir haben Euer Vertrauen und das unseres Herrn enttäuscht.« Er blinzelte heftig, während ihm Tränen über die Wangen liefen. »Wir sind bereit, seppuku zu begehen.«
    »Nein!«, sagte Sano mit Nachdruck. »Das verbiete ich.« Es hieße, zwei Menschenleben zu vergeuden, nur wegen eines Missgeschicks, das jedem hätte passieren können. Sano war der Meinung, dass zu viele gute Männer sich zu streng an den Ehrenkodex der Samurai hielten und sich umbrachten, während schlechte, ehrlose Männer fröhlich gegen die Regeln verstießen und ein glückliches Leben führten. »Seht lieber zu, dass ihr die Verdächtigen wiederfindet.« Sano war immer noch der Überzeugung, dass die beiden Ochsenkarrenfahrer mit den Entführungen zu tun hatten; außerdem waren sie seine einzige Spur. »Ich brauche Eure Hilfe. Jetzt habt Ihr die Gelegenheit, Euren Fehler wiedergutzumachen.«
    »Jawohl, ehrenwerter Kammerherr«, sagten die beiden jungen Männer verlegen, aber erleichtert.
    Hirata bedachte Sano mit einem dankbaren Blick, den Sano augenzwinkernd erwiderte. Hirata hatte ihn einst vor dem Tod bewahrt und dafür beinahe sein Leben gelassen. Das allein schon würde Hirata von tausend Fehlern freisprechen.
    »Wo fangen wir mit der Jagd an?«, wollte Hirata nun wissen.
    Sano ließ den Blick über die Stadt schweifen, die den beiden Verdächtigen unzählige Verstecke bot. Jede Gasse nach ihnen abzusuchen und die Fernstraßen zu schließen, die aus Edo hinausführten, würde zu viel Zeit kosten. Der Logik nach gab es eine bessere Lösung.
    »Im Revier unserer Verdächtigen«, antwortete Sano.
    *

    Anstatt sich nach Hause zu begeben, ließ Reiko sich von ihrer Eskorte zum Anwesen von Major Kumazawa geleiten, wo sie Chiyo in ihrem Gemach dabei antraf, wie sie Fumiko das Haar kämmte. Fumiko trug einen frischen weißen Kimono, mit blauen Schwertlilien bedruckt, und ihr Gesicht war sauber; offenbar hatte Chiyo das Mädchen gebadet. Fumiko war wirklich ausgesprochen hübsch. Sie saß ganz still da, während Chiyo ihr die verfilzten Strähnen entwirrte. Reiko musste lächeln; das war ein Bild, so beschaulich und zeitlos wie auf einem Gemälde. Offenbar hatten Chiyo und das Mädchen ein wenig innere Ruhe gefunden.
    Doch als die beiden zu Reiko blickten, erwies die Idylle sich als trügerisch. Chiyos Augen waren rot und nass vom Weinen, und Fumiko zeigte wieder die Furcht und die Anspannung eines in die Enge getriebenen Tieres. Beide hatten nicht vergessen, was man ihnen angetan hatte, nicht einen Moment lang.
    Fumiko wollte aufspringen und aus dem Zimmer fliehen, doch Chiyo sagte beschwichtigend: »Na, na! Vor Reiko brauchst du keine Angst zu haben.« Sie lächelte, auch wenn es ihr schwerfiel, und verbeugte sich. »Willkommen! Euer Besuch ist uns eine Ehre. Wollt Ihr Euch zu uns setzen?«
    Reiko bedankte sich, verbeugte sich ebenfalls und nahm Platz. Chiyo bot Erfrischungen an. Nachdem Reiko höflich abgelehnt hatte, um das Angebot dann doch anzunehmen, wie die Etikette es vorschrieb, brachte eine Dienerin ihr Tee und Kuchen. Als Reiko aß, stellte

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