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Der Wolkenpavillon

Der Wolkenpavillon

Titel: Der Wolkenpavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Mädchen gestohlen!«
    »Ihr habt sie hinausgeworfen«, erinnerte Major Kumazawa ihn. »Also dürft Ihr keine Einwände erheben, dass ich sie bei mir aufgenommen habe. Aber wenn Ihr sie zurückhaben wollt, dürft Ihr sie gerne mitnehmen.«
    Reiko spürte, wie Fumiko den Atem anhielt und voller Hoffnung auf die Reaktion ihres Vaters wartete. Chiyo drückte das Mädchen fest an sich. Jirocho starrte seine Tochter unverwandt an; er hatte den Blick auch nicht von ihr gewandt, als er mit Major Kumazawa gesprochen hatte. Plötzlich, ohne ein Wort zu sagen, drehte er sich um und stapfte den Gang hinunter, gefolgt von seinen Leibwächtern.
    Fumiko drückte das Gesicht an Chiyos Schulter und schluchzte.
    »Ich werde meine Rache bekommen, auch ohne Eure Hilfe«, sagte Jirocho über die Schulter zu Major Kumazawa. »Ihr dagegen werdet ohne meine Hilfe keinen Schritt weiterkommen, darauf wette ich mein Vermögen.«

26.

    Die Straße zu den Ochsenställen führte Sano, Hirata und ihr Gefolge an ärmlichen Barackensiedlungen vorbei, die wie ein schmutziger, ausgefranster Saum die Außenbezirke Edos umgaben. Der Abend dämmerte, als Sano und die anderen ihr Ziel erreichten. Der Hof, in den sie ritten, war zertrampelt und übersät von tiefen Hufabdrücken, in denen das Regenwasser stand. Das ganze Gelände stank nach Dung und nach Urin. Die umzäunte und überdachte Einfriedung, in der die Ochsenkarren abgestellt wurden, war verlassen. Durch die offenen Scheunentüren konnte Sano die leeren Stellplätze der Tiere und die Stalljungen sehen, die müßig herumstanden.
    »Ich glaube nicht, dass unsere Verdächtigen hier die Zeit totschlagen und darauf warten, dass sie gefasst werden«, sagte Sano. »Aber ihre Kollegen müssten bald zurückkommen. Vielleicht können sie uns ein paar Hinweise geben.«
    Das ferne Geräusch rumpelnder Räder erklang in der Abenddämmerung. Es näherte sich und wurde lauter, hin und wieder übertönt von Hundegebell. Bald darauf rollten auf sämtlichen Wegen, die zu den Ställen führten, Ochsenkarren heran, die hier über Nacht untergestellt wurden. Wie ein langsames, übel riechendes, vor Dreck starrendes Invasionsheer rückten die Karren auf die Stallungen vor.
    »Teilt euch auf und beginnt mit den Vernehmungen!«, befahl Sano seinen Leuten.
    Die Männer eilten zu den Karren und fragten die Fahrer nach dem Verbleib von Jinshichi und Gombei. Die Fahrer schüttelten den Kopf, doch plötzlich wendete sich das Blatt.
    »Jinshichi und Gombei sind Taugenichtse, einer wie der andere!«, schimpfte der Fahrer des achten Karrens, den Sanos Leute befragten.
    Der Mann war nackt bis auf einen schmutzigen Lendenschurz, ein altes Tuch um den Kopf und Strohsandalen. Seine gebräunte Haut war so wettergegerbt und ledrig, dass man einen guten Sattel daraus hätte fertigen können. Nachdem er und seine Kollegen ihre Karren in der Einfriedung abgestellt hatten, spie er angewidert auf den Boden.
    »Warum habt Ihr so eine schlechte Meinung von Jinshichi und Gombei?«, fragte Sano.
    »Weil sie faul sind«, antwortete der Fahrer. »Jedes Mal kommen sie so spät, dass wir anderen warten müssen.« Er spannte den Ochsen aus, während andere Karren an ihm vorbeirumpelten und in einer langen Reihe nebeneinander abgestellt wurden. Die Ochsen brüllten, prusteten und schnauften. »Und manchmal verschwinden sie, bevor die Arbeit getan ist. Das bedeutet für uns andere, dass wir zusätzliche Fuhren machen müssen. Und wofür?«
    Wieder spie er auf den Boden, während er seinen Ochsen zu den Ställen führte, gefolgt von Sano und den anderen. »Jinshichi und Gombei bedanken sich nicht einmal. Diese Faulpelze!«
    Sano war fasziniert von dem Bild, das der Mann von den beiden Verdächtigen zeichnete. »Wenn sie nicht zur Arbeit kommen, wo gehen sie dann hin?«
    »Keine Ahnung. Das behalten sie für sich.«
    Vielleicht gehen sie auf die Jagd nach weiblichen Entführungsopfern, ging es Sano durch den Kopf.
    »Unser Aufseher hat ihnen schon öfter gedroht, sie zu feuern«, sagte der Fahrer.
    »Und warum tut er es nicht?«
    Der Fahrer hob die Hand und rieb in einer vielsagenden Geste Daumen und Zeigefinger aneinander.
    »Und wo haben sie das Geld her, um den Aufseher zu bestechen?«, fragte Sano.
    »Das weiß ich genauso wenig wie Ihr.« Der Fahrer trieb den Ochsen in einen der Ställe. »Aber sie haben mehr Geld als wir anderen. Sie prahlen sogar damit, dass sie öfter in Yoshiwara sind.«
    Das Vergnügungsviertel Yoshiwara war viel zu

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