Der Wolkenpavillon
teuer, als dass Ochsenkarrenfahrer sich einen Besuch hätten leisten können.
»Wisst Ihr, wo ich die beiden finden kann?«
»Tut mir leid.«
»Wo wohnen sie?«
»Da drüben.« Der Fahrer wies auf eine Straße, an der triste Mietshäuser standen. »Ich wohne auch da. Aber ich habe sie seit gestern nicht mehr gesehen.«
Sano bedankte sich bei dem Mann. Als er sein Pferd wenden wollte, sagte der Fahrer: »Wartet, Herr, mir fällt da noch etwas ein. Es ist schon eine Weile her, da habe ich Jinshichi und Gombei in einem Teehaus gesehen, das ›Zur Trommel‹ heißt. Ich bin gerade daran vorbeigefahren, als die beiden aus der Tür kamen.«
»Was ist daran so besonders?«
»Mit Leuten wie Jinshichi und Gombei rechnet man dort eigentlich nicht.«
»Warum nicht?«
»Dieses Teehaus ist nur was für feine Leute. Ich war erstaunt, dass Jinshichi und Gombei dort waren. Ich würde zu gern wissen, was sie da getrieben haben.«
Das hätte Sano auch gern gewusst.
*
Das Teehaus »Zur Trommel«, befand sich unweit der Hauptstraße, die durch das Händlerviertel Nihonbashi führte, gleich hinter dem »Shirokiya«, einem viel besuchten Kurzwarenladen. Die Geschäfte in der Umgebung hatten bereits geschlossen, und niemand war mehr auf den Straßen bis auf die Wachmänner an den Toren zu den angrenzenden Stadtvierteln, die sich an beiden Enden der Straße befanden. Das Teehaus befand sich in einem Gebäude, das von blauen Laternen erhellt wurde, die wie Trommeln geformt waren. Ihr kaltes Licht spiegelte sich in den Pfützen wider und warf einen geisterhaften bläulichen Schimmer auf die Straße, über die sich die abendliche Dunkelheit senkte.
Sano und Hirata stiegen vom Pferd und wiesen ihre Männer an, auf sie zu warten, ehe sie die Straße hinuntergingen und das Teehaus betraten. Sie gelangten in einen großen Raum, der von dem blauen Licht der Laternen erhellt war, das durch die papierbespannten Fenster schimmerte. Dienstmägde schenkten den ausschließlich männlichen Gästen, die auf dem Boden knieten, Sake ein. An den Wänden entlang waren Durchgänge zu kleinen abgetrennten Räumen, vor die Vorhänge gezogen waren. Das matte blaue Licht schimmerte auf den rasierten Scheiteln von Samurai und auf dem eingeölten, glänzenden Haar gemeiner Bürger, die es zu Wohlstand gebracht hatten, und verlieh den Gesichtern ein geisterhaftes Aussehen. Die Gespräche wurden mit gedämpfter Stimme geführt und beschränkten sich auf das Notwendigste. Alle Gäste schienen ohne Begleitung gekommen zu sein.
Der Besitzer des Teehauses trat aus der Dunkelheit hervor und verbeugte sich tief und demütig vor Sano und Hirata. Seine leise, zischende Stimme erinnerte Sano an eine Eidechse, die unter einen Felsblock huscht. Der hagere Körper des Mannes steckte in einem schwarzen Gewand; die Augen in seinem kantigen Gesicht funkelten wie die eines kleinen Raubtieres auf nächtlicher Jagd. Ohne zu blinzeln, musterte er Sano und Hirata. »Bitte folgt mir, ehrenwerte Herren.«
Er führte die beiden Besucher in eines der abgetrennten kleinen Zimmer, schenkte ihnen Sake ein und zog die Vorhänge zu. Dann blieb er abwartend stehen, während Sano und Hirata an den Schalen nippten.
Sano tauschte einen Blick mit Hirata. Beide spürten, dass mit diesem Teehaus etwas nicht stimmte. Das Halbdunkel und die Stille waren für ein solches Etablissement ebenso ungewöhnlich wie das gemischte Publikum aus Samurai und gemeinen Bürgern. Außerdem lag eine seltsame Spannung in der Luft. Sano fragte sich, welches Geheimnis sich hier verbarg.
Er wandte sich dem Besitzer zu. »Wollt Ihr Euch nicht zu uns setzen?«
»Es ist mir eine Ehre.« Der Besitzer kniete sich neben Sano. Als er die Sakeschalen nachfüllte, fragte er: »Kann ich irgendetwas für Euch tun?«
»Schon möglich«, antwortete Sano. »Was habt Ihr denn anzubieten?«
»Das kommt darauf an.«
»Auf was?«, fragte Hirata.
»Auf Eure spezielle Situation.«
Der Besitzer hielt inne, wartete auf eine Antwort. Doch Sano und Hirata schwiegen und warteten ihrerseits, dass der Mann sich klarer ausdrückte. Schließlich siegte die Gier des Besitzers, der offenbar ein gutes Geschäft witterte, über die Vorsicht. »Gibt es jemanden, der euch Ärger macht?«, wollte er wissen. »Ich könnte euch mit Leuten zusammenbringen, die dem Betreffenden ... nun, sagen wir, eine Lektion erteilen.«
»Wenn es jemanden gäbe, der uns Schwierigkeiten macht«, entgegnete Sano, »was würden Eure Leute mit ihm
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