Der Wunschtraummann
mitnehmen soll, mache ich es wie immer und packe einfach alles ein.
Schließlich ziehe ich den Reißverschluss der Tasche zu und steige zu Flea ins Bett. Okay, und jetzt lese ich noch ein bisschen, ehe ich das Licht ausknipse. Ich greife nach dem Buch auf meinem Nachtschränkchen, schlage es auf und klappe es gleich wieder zu. Sosehr ich mich auch bemühe, ich finde einfach keinen Zugang dazu. Für Millionen von Menschen mag Obama der faszinierendste Mann der Welt sein, und eigentlich sollte das Buch mich fesseln, aber irgendwie, na ja, tut es das einfach nicht.
Schnell verstaue ich es wieder in meinem Nachtschränkchen, lehne mich in die Kissen zurück und kraule Flea unter dem Kinn. Eigentlich bin ich hundemüde, doch meine Gedanken fahren Achterbahn, und ständig zeigt mein Hirn mir wie eine Diashow kleine Schnappschüsse des Abends: Opas Pokerabend, Fergus, der seinen Text lernt, Sebs Anruf … Ich sollte jetzt dringend schlafen. Seb holt mich morgen früh um sechs Uhr ab. Bei dem Gedanken werde ich ganz kribbelig vor Aufregung. Wohin wir wohl fahren? Vielleicht nach Paris oder sogar nach New York … ach nein, das ist zu weit für eine Nacht.
»Sie hat sich nämlich nicht gemeldet.«
Fergus. Plötzlich muss ich wieder an ihn denken. Seinen weichen melodiösen irischen Akzent. Das kleine resignierte Lächeln, als ich ihm viel Glück gewünscht habe.
Und prompt meldet sich wieder mein schlechtes Gewissen. Hätte ich ihm bloß nicht geraten, diese doofe Anzeige aufzugeben. Das ist alles meine Schuld. Er hat wirklich Talent, aber diese dumme Geschichte hat seinem Selbstbewusstsein einen ordentlichen Knacks verpasst, und das muss ich auf meine Kappe nehmen. Mit dieser negativen Einstellung bekommt er die Rolle nie. Immer dieses Gerede von Absagen und Zurückweisungen. Das ist ja fast, als würde er sich selbst einreden wollen, dass er die Rolle sowieso nicht bekommt, noch ehe er überhaupt beim Vorsprechen war.
Energisch haue ich mit der Faust auf mein Kissen, um es in eine bequemere Form zu bringen, und drehe mich dann um. Ich wünschte, ich könnte seinem Selbstvertrauen irgendwie einen kleinen Schubs geben, damit er ein bisschen zuversichtlicher an die Sache herangeht. Ihm zeigen, was für ein toller Kerl er ist. Aber wie nur?
Wie?
Und dann stoße ich plötzlich auf den zarten Keim einer Idee, die langsam wächst und Wurzeln schlägt und schließlich Form annimmt. Natürlich! Warum bin ich nicht gleich daraufgekommen?
Hastig springe ich aus dem Bett, schnappe mir meinen Laptop und klappe ihn auf. Der Monitor leuchtet auf, und ich logge mich in mein E-Mail-Konto ein und richte rasch eine neue Adresse ein. Es ist die einzige Möglichkeit. Auf der Bettkante hockend fange ich an zu tippen. Ich habe dieses Schlamassel angerichtet, also muss ich es auch wieder ausbügeln.
Und deshalb bin ich jetzt seine Verpasste Chance.
Liebes Tagebuch,
Seb hat mir eine Karte mit einem Schneehasen vorne drauf geschickt. Und drinnen steht:
»Freue mich schon, mit dir die Pisten unsicher zu machen und nachher zum Après-Ski zu gehen. Seb xx«
Das ist wirklich total süß von ihm. Seb liebt Snowboarden und will mit mir übers Wochenende in die Alpen fahren, aber ehrlich gesagt kann ich weder Ski noch Snowboard fahren, und eigentlich will ich es auch gar nicht lernen. Eiseskälte, dauernd in den Schnee plumpsen, blaue Flecken, womöglich sogar gebrochene Arme und Beine … Unter Spaß verstehe ich was anderes …
Also habe ich ihn angerufen und mich herzlich bedankt, aber dann vorgeschlagen, stattdessen lieber zusammen in ein Spa zu gehen. Komisch, begeistert klang er nicht.
Achtundzwanzigstes Kapitel
Wer träumt nicht davon, von seinem Freund zu einem romantischen Wochenende entführt zu werden? Noch dazu als Überraschung ! Das ist der Stoff, aus dem Liebesromane gemacht sind und kitschige Schmonzetten mit Julia Roberts. Wunschdenken, nicht das wahre Leben. Und ganz sicher nicht mein Leben.
Bis jetzt .
Ich, Tess Connelly, werde zu einem romantischen Wochenende entführt! Ist das aufregend! Dauernd lese ich in Fionas Hochglanzmagazinen von solchen Kurztrips: edle Bed & Breakfast-Pensionen, hippe Hotels, urbane Rückzugsorte, Wellness-Oasen … Jedes Mal, wenn ich die Zeitschriften durchblättere, ertappe ich mich beim Tagträumen: wie ich mit tiefem Seufzen sehnsuchtsvoll auf die Bildstrecken mit den Himmelbetten und den nierenförmigen Swimmingpools und den exotisch wirkenden Cocktails starre …
Man kann sich also
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