Der Wunschtraummann
haltlos.
»Dann warst du also gar nicht in der Hundeschule?«, frage ich rasch, um das Gespräch von meinem Chef und Internetpornos wegzubringen. Das ist einfach keine gute Kombination, glauben Sie mir.
»Entschuldigung, da habe ich ein bisschen geschwindelt«, gesteht sie errötend, »wobei wir schon die Idee hatten, mal zusammen hinzugehen. Ricky hat einen roten Setter namens Monty, weißt du.«
»Ja, ich weiß«, sage ich. »Letzte Woche war er im Büro und hat das Bein an meinem Fensterblatt gehoben.« Und trotz gutem Zuspruch und viel biologischem Pflanzendünger hat es sich bisher noch nicht davon erholt.
»Oh, ich glaube nicht, dass er es wagen wird, sich in deiner Gegenwart danebenzubenehmen, Darling«, meint er lachend und drückt Fiona an sich.
»Soll das heißen, ich bin herrisch?«
»Durchsetzungsfähig, würde ich eher sagen«, meint er fröhlich.
»Nun ja, einer musste schließlich diesen schrecklichen Anzug ausrangieren«, erklärt sie und grinst zufrieden.
»Der war maßgeschneidert …«
»Der war hässlich wie die Nacht!«
Ich schaue zu, wie die beiden sich aufziehen und lachen und die Sätze des anderen zu Ende bringen. Sir Richard ist kaum wiederzuerkennen, verglichen mit dem Mann, der er noch vor ein paar Monaten war. Verschwunden ist die unvorteilhaft überkämmte Glatze. Stattdessen trägt er eine modische Kurzhaarfrisur mit einem, darf ich es so sagen, kleinen Hilfsmittel vorne? Und nicht nur das, seit Neuestem hat er auch ein strahlend weißes Lächeln, das nur das Ergebnis einer kostspieligen Zahnsanierung bei einem Spezialisten in Delhi sein kann. Und wenn man dann noch die neue Designerbrille und den teuren Anzug hinzunimmt, ist die Verwandlung, die ich schon seit einiger Zeit verblüfft beobachte, vollkommen.
»Ich habe ihn runderneuert«, erklärt Fiona nicht ohne Stolz, als sie meine staunenden Blicke sieht.
Es ist unglaublich. Er sieht aus wie ein ganz anderer Mensch, gar nicht wie der Sir Richard, den ich mal kannte. Vermutlich ist er auch ein ganz anderer Mensch, geht mir da auf. Vorher wirkte er immer ein bisschen verstaubt wie ein Ladenhüter, der schon etwas zu lange im Regal steht und einfach vergessen wurde. Und dann kam Fiona, hat ihn abgestaubt und ihm neues Leben eingehaucht, und plötzlich ist er glücklich und verliebt.
»Ihr seht jedenfalls beide umwerfend aus, gratuliere, ich freue mich für euch«, sage ich und lächele. »Aber eine Frage habe ich noch: Wie konnten Sie denn um ihre Hand anhalten, wo Sie doch in Indien waren?«
»Per Skype!«, meint Fiona grinsend.
Ach ja, Skype, das hatte ich schon ganz vergessen, denke ich, und mir fällt wieder ein, wie Fiona in Unterwäsche am Küchentisch saß.
»Ich habe den Ring per Kurier zu ihr nach Hause bringen lassen, und Fiona musste die Schachtel dann vor laufender Kamera aufmachen«, erklärt er stolz.
»Und dann hat er mich gefragt!«
»Und sie hat Ja gesagt.«
Beide strahlen über das ganze Gesicht vor Glück, und wieder blitzen seine perlweißen Zähne auf. Ich muss schon sagen, er sieht richtig gut aus. Nicht, dass ich auf Sir Richard stehe, denke ich und vertreibe diesen abwegigen Gedanken rasch aus meinem Kopf. Und dann gehen wir gemeinsam zu der Party.
Grey’s ist ein angesehener Herrenclub, aber da man in Sir Richards Familie seit drei Generationen Mitglied ist, wurde die Ausrichtung seiner Pensionierungsfeier in einem der Séparées nur zu gerne übernommen. Es ist alles sehr pompös: Stattliche Kristalllüster hängen von den Stuckdecken, an den Wänden prangen Ölgemälde aus dem achtzehnten Jahrhundert, und ganz hinten steht ein gigantischer Marmorkamin. Seitlich führen Verandatüren auf eine Privatterrasse.
Und darüber prangt ein großes glitzerndes Banner mit der Aufschrift: »Alles Gute zur Pensionierung, Sir Richard!«
Na ja, eigentlich kann es gar nicht zu pompös sein, schließlich ist es eine Party, stimmt’s? Eine Party!
Mein Blick schweift durch den Raum und streift die Helium-Ballons in Form riesiger Tequila-, Rum- und Whisky-Flaschen, die ich auf einer amerikanischen Webseite entdeckt und eigens habe schicken lassen, den DJ , den ich engagiert habe und der gerade in der Ecke sein Equipment aufbaut (sogar mit Discokugel und Stroboskop-Licht), und die Bedienungen, die emsig herumlaufen und den köstlichen »Sir Richard«-Cocktail servieren, den ich eigens habe kreieren lassen.
Und der allen zu schmecken scheint, denke ich bei mir, als ich sehe, wie Kym ein Glas austrinkt und
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