Der Wunschtraummann
Computerbildschirm.
»Was ist denn Campanologie?«, fragt sie und lässt die »Wie-geht’s-wie-steht’s«-Höflichkeitsfloskeln einfach unter den Tisch fallen, was nur unter alten Freunden geht, die sich schon seit Jahren kennen.
»Glockenläuten«, entgegne ich und mache mich daran, meine Einkaufstüten auszuräumen. Sehen Sie, es hat auch seine Vorteile, wenn man einen Vater hat, der süchtig ist nach den Kreuzworträtseln der Sunday Times . »Wieso, willst du dir ein neues Hobby zulegen?«
»Nein, ich habe heute eine E-Mail von jemandem bei Sexy Seelenverwandte bekommen …« Sie liest laut vor: » Hi, ich heiße Steve und suche einen ganz besonderen Menschen für eine liebevolle feste Beziehung …«
»Klingt doch vielversprechend«, werfe ich aufmunternd ein. »Immerhin erwähnt er gleich eine ›feste Beziehung‹.«
»Ganz genau«, meint Fiona nickend. »Im Gegensatz zu den meisten anderen Männern, die so was nicht mal aussprechen können, ohne Ausschlag zu bekommen.«
»Und, triffst du dich jetzt mit ihm?«
»Na ja, eine Sache irritiert mich etwas …« Sie schaut wieder auf den Bildschirm und liest weiter »… und um meine große Leidenschaft zu teilen: Campanologie …« Sie bricht ab, und wir sehen uns an.
»Na ja, das ist doch mal was ganz anderes«, sage ich und versuche, die positive Seite zu sehen.
»Ich will zwar das Netz etwas weiter auswerfen, aber ich hatte nicht vor, mir Quasimodo zu angeln!«, protestiert sie und klickt entschlossen auf Löschen . Dann schaut sie auf, und ihr Blick fällt auf meine Einkaufstüten. »Ooh, du warst einkaufen«, sagt sie und stürzt sich begeistert auf meine Beute. Nichts kann Fiona von einer gefüllten Einkaufstüte ablenken. »Wow, sehr sexy«, sagt sie und nickt anerkennend, als sie meinen nippelfreien BH herauszieht und ihn vor ihre doch beachtliche Oberweite hält. Ständig beklagt Fiona sich, dass sie einfach keine schönen BH s findet, weil ihre Brüste zu groß sind und sie immer diese gigantischen, ausladenden Dinger kaufen muss, die tiefe rote Striemen in ihre Schultern graben und gänzlich unansehnlich sind.
Als sie einsehen muss, dass auch dieser ihr viel zu klein wäre, seufzt sie leise vor Enttäuschung und legt ihn widerstrebend beiseite. »Was hast du denn noch …« Beim Blick in die andere Tüte verschlägt es ihr allem Anschein nach die Sprache. »Warte mal, für wen sind denn die Sportsachen?«
»Für mich«, erkläre ich, so nonchalant ich eben kann, und schalte den Wasserkocher ein.
»Für dich?« Ihr Blick geht ungläubig von den Schweißbändern zu mir. »Aber du hasst Sport!«
»Ich schaue mir jedes Jahr Wimbledon im Fernsehen an«, kontere ich zu meiner Verteidigung.
»Aber nur, weil du Nadal so scharf findest«, reibt sie mir unter die Nase. »Sport hast du zum letzten Mal in der Schule gemacht. Korbball, weißt du noch?«
Jetzt, wo sie das sagt, habe ich plötzlich wieder das Bild vor Augen, wie ich zum x-ten Mal den dämlichen Korb verfehle. Jahrelang wurde ich gezwungen, Korbball zu spielen, ohne je einen einzigen Punkt zu machen. »Okay, womöglich muss ich an meiner Auge-Hand-Koordination noch etwas arbeiten«, gestehe ich, nehme die Teebeutel und werfe je einen in die Tassen. »Aber so schlecht bin ich nun auch wieder nicht.«
Ein Teebeutel verfehlt sein Ziel und landet auf dem Boden.
»Und außerdem geht es hier nicht um Sport, es geht um Ausdauer und Fitness«, erkläre ich rasch, weiche Fionas Blick aus und hebe den Teebeutel wieder auf. »Wie du als Gesundheits- und Schönheitskolumnistin eigentlich wissen solltest«, füge ich spitz hinzu.
»Nun, ich war heute jedenfalls schon zweimal mit Tallulah spazieren«, prahlt sie stolz.
»Wow, echt?« Ich nehme die Milch aus dem Kühlschrank und drehe mich ehrlich beeindruckt zu ihr um. »Wo wart ihr denn, am Fluss unten?«
»Nein, bei Primark. Hast du die Sonderangebote gesehen? Das ist der Wahnsinn.«
Ich pruste los. »Du warst mit Tallulah bei Primark?« Ich weiß gar nicht, was ich komischer finden soll: die Tatsache, dass Fiona das für einen Hundespaziergang hält, oder mir vorzustellen, was Pippa dazu sagen würde, wenn sie wüsste, dass ihr geliebtes Hündchen bei Primark war statt bei Prada.
»Und Waterstone«, erklärt Fiona weiter, etwas pikiert angesichts meiner Reaktion. »Ich habe mir ein Buch von diesem weltberühmten Hundeexperten gekauft, Cesar Millans Welpenschule .«
»Wow! Toll«, sage ich und versuche, ein ernstes Gesicht aufzusetzen. Fiona
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