Der Wunschtraummann
sein. 75 Pfund! Für ein paar Bändchen und ein dreieckiges Stoffstück, so groß wie eine Briefmarke? Und was Bequemlichkeit und Halt angeht … glauben Sie mir, diese Worte haben hier nichts zu suchen. Ja, ich habe in einem mittelalterlichen Foltermuseum schon bequemere und haltgebendere Kleidungsstücke gesehen, denke ich und winde mich unbehaglich, während ich mit Grausen einen strassbesetzten »Playsuit« befingere.
Aber die Sache ist es wert, sage ich mir entschlossen und stelle mir vor, wie Seb gucken wird, wenn er mich darin sieht. Und außerdem, wenn es genauso schnell geht wie beim letzten Mal, werde ich das Teil ohnehin nicht lange anhaben, denke ich unartiges Mädchen und nehme einen davon mit. Ebenso wie einige Höschen, winzig kleine Strings, nippelfreie BH s und eine Korsage, die hinten geschnürt und mit Stäbchen verstärkt ist … Herrje, die würde ich ungern tragen, wenn ich vorher eine Ofenkartoffel gegessen hätte …
Kurz verspüre ich riesengroße Sehnsucht nach meinen alten bequemen BH -Hemdchen und großzügig geschnittenen Höschen. Dieses Zeug sieht zwar sexy aus, ist aber so furchtbar unbequem. Aber schließlich war ich beim ersten Mal mit Seb einfach viel zu bequem . Und nicht sexy genug. Diesmal wird alles anders. Ich werde anders sein. Denn dies ist mein neues sexy Ich, schon vergessen?
An der Kasse reiche ich der Verkäuferin meine Kreditkarte und versuche angestrengt, nicht auf die Gesamtsumme zu schauen, während ich meine PIN eintippe, doch aus den Augenwinkeln sehe ich trotzdem ein paar Nullen. Mir dreht sich der Magen um wie immer, wenn ich am Bankautomaten auf »Kontostand« drücke, aber das versuche ich zu ignorieren. Schließlich ist es ja nicht so, als würde ich Geld ausgeben , nein, ich investiere in meine Zukunft. Vergessen Sie Geld anlagen, das hier ist eine Beziehungs anlage.
Ganz angetan von meinem finanziellen Geistesblitz verlasse ich den Laden mit einer großen Tasche über der Schulter. Okay, wo wir gerade bei Investitionen sind, welche anderen Dinge brauche ich noch? Ach ja, natürlich, zwar nicht halb so glamourös, aber genauso wichtig. Ich versuche ein Schaudern zu unterdrücken und gehe nebenan in den Sportartikelladen. Sofort stürzen sich springlebendige pferdeschwänzige Verkäuferinnen auf mich, mit schicken Sportklamotten und hippen Turnschuhen und mit Headsets auf dem Kopf wie Madonna in ihren besten Zeiten. In der Umgebung kommt man sich vor wie ein Vollidiot, wenn man Nike Airs nicht von Gel Asics unterscheiden kann.
Wo wir gerade dabei sind …
»Hallo, kann ich Ihnen helfen?«, zwitschert eine Verkäuferin und kommt zu mir rübergehopst, während ich noch völlig überwältigt die riesige Sportschuhauslage an der Wand bestaune.
Ich atme tief durch. Das ist nicht mein neues sexy Ich, das ist mein neues sportliches Ich. Das Ich, das zur Military-Fitness geht. Ich habe mich angemeldet, und mein Kurs beginnt am Montag. Also muss ich mir eine Ausrüstung zulegen.
»Ich brauche neue Laufschuhe«, sage ich und versuche dabei, lässig und selbstbewusst zu klingen und der Versuchung zu widerstehen, nach den billigsten Exemplaren zu fragen.
»Wie lange hatten Sie Ihre alten denn?«
Ich denke an meine Joggingschuhe, die schon auseinanderfallen und irgendwo in den Untiefen meines Schranks vermodern, und versuche, mich zu erinnern, wann ich die gekauft habe. »Ähm, etwa fünf Jahre«, entgegne ich etwas vage.
Der aufgeweckten pferdeschwänzigen Verkäuferin verrutscht das Lächeln. »Fünf Jahre?«, japst sie entsetzt. »Man sollte Laufschuhe jedes Jahr ersetzen, jedes halbe Jahr, wenn man regelmäßig trainiert.« Vorwurfsvoll schaut sie mich an, und mir schlottern die Knie.
»Haben Sie einen Senk- oder Spreizfuß?«
Ich habe keine Ahnung, wovon sie da redet, aber es klingt schmerzhaft. »Ähm, das weiß ich nicht …«
»Und welchen Sport machen Sie? Starke Belastungen? Laufen? Aerobic? Oder mehr Geländelauf?«
»Ähm …«
Zwanzig Minuten später habe ich das Neueste vom Neuen erstanden, regelrechte Hightech-Laufschuhe, dazu neue Sportsachen, einige Beingewichte, Schweißbänder und einen Gymnastikball. Investitionen können ganz schön ins Geld gehen. Ich habe meine Kreditkarte bis zum Limit ausgereizt. Ich habe nicht mal mehr genug Geld, um mit dem Bus nach Hause zu fahren, und muss stattdessen zu Fuß gehen.
Müde und pleite komme ich schließlich an, und in der Küche sitzt Fiona und schaut stirnrunzelnd auf ihren
Weitere Kostenlose Bücher