Der Wunschzettelzauber
der nur Augen für Sally hatte.
»Tja, also im Prinzip ist dieser Charlie eben einfach ein Schleicher«, meinte Giles abschlieÃend und fand vor den Frauen rasch seine Haltung wieder.
»Mister Pudding« war es inzwischen erlaubt worden, eine Weile in dem anhaltenden, lauten Applaus und den Hochrufen seiner jungen Zuschauer zu baden, dann wurde er von Megan entschlossen aus dem Raum eskortiert, allerdings nicht ohne einen allerletzten Knüller. Er zog ein Furzkissen aus seiner Tasche, suchte sich rasch einen ranghohen Gast aus und presste einen lauten, obszönen Furz genau in dem Augenblick heraus, als er an Theos Chef vorbeikam. Alle Kinder und die meisten Erwachsenen kicherten. »Mister Pudding« grinste von einem Ohr zum anderen. Theo aber schoss fuchsteufelswild durch den Raum auf ihn und Megan zu.
Inzwischen hatte Chloe einen verstohlenen Blick auf den Schleicher geworfen. Nach Gilesâ aufklärenden Worten sah sie den Mann jetzt klarer. Die blasse Haut, dieser intensive dunkle Blick und sein wildes Outfit â alles sagte ihr das Gleiche: einer, der mit den Frauen nur spielte; ein unersättlicher Schürzenjäger. Ja, ja, einfach empörend.
Sie seufzte und dachte an Weihnachten, das vor der Tür stand, und an Nicolasâ unschuldigen Wunsch nach einem Daddy. Tja, jetzt, da ihre Freundinnen das Thema schon offen diskutierten, schien es ihr wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen: einen Mann zu finden, der ihr fester Freund und gleichzeitig für Nicolas ein Dad sein könnte. Natürlich gab es da drauÃen anständige Männer, aber auch Raubtiere wie dieser Charlie-Knilch. Sie würde sehr, sehr auf der Hut sein müssen.
15
Der unglaublich nette Kerl, dessen Name
ich nie erfahren werde
Das erste wunderbare Erlebnis bei Chloes Weihnachtsbesuch im Burgund war die märchenhafte Winterlandschaft, die drauÃen vor dem Panoramafenster des französischen Hochgeschwindigkeitszuges vorbeirollte. Sie saà im TGV von Paris nach Dijon und betrachtete, Nicolas im Arm haltend, die mit eisblauem Reif bedeckten Bäume, Büsche und Wiesen. Auf den weiÃen Flächen standen weiÃe Schafe in ihrer dicken Winterwolle. Die blasse Wintersonne tauchte alles in ein freundliches Licht. Der Anblick verzauberte Chloe umso mehr, als es französische Bäume, französisches Gras und französische Schafe waren, oder, wie Nicolas mit ausgestrecktem Zeigefinger rief: » des moutons! « Eine milde Sonne beschien Antoines Heimatland und hieà seine Frau und seinen Sohn willkommen.
Jedes Mal, wenn Chloe zu Antoines Eltern nach Petit Mulot reiste, wurde sie an ihre Begegnung mit dem »Unglaublich netten Kerl, dessen Name ich nie erfahren werde « erinnert.
Es war auf ihrer ersten Reise nach Antoines Tod zurück nach Frankreich geschehen, die sie etwa neun Monate nach Antoines Beerdigung unternahm, um ihre Schwiegereltern zu besuchen. Nicolas war damals noch sehr klein gewesen. Ihr Vater hatte sie begleiten wollen, aber sie hatte ihn überredet, sie mit ihrem Baby alleine fahren zu lassen. Es war keine anstrengende Reise. Ihr Vater konnte sie in London zum Zug bringen, in Paris musste sie dann nur mit dem Taxi weiter zum Gare de Lyon fahren und dort den TGV , den Hochgeschwindigkeitszug, nach Dijon besteigen. Jeannette Regard würde sie am Bahnhof abholen.
Damals hatte Chloe noch bei ihren Eltern gewohnt, allerdings schon angefangen, nach etwas Eigenem zu suchen. Ihre Eltern hatten ihr sehr zuvorkommend erklärt, sie könnte so lange bleiben, wie sie wollte, aber zusammen mit ihrem Baby wieder ihr altes Mädchenzimmer zu bewohnen gab ihr das Gefühl, eine gescheiterte Existenz, eine Teenie-Mutter zu sein. Sie war fest entschlossen, sich etwas Eigenes zu suchen, und sie würde allein schon irgendwie zurechtkommen.
Diese erste Reise zurück nach Frankreich war für sie so etwas wie ein Test, und auÃerdem brauchte sie einen Tapetenwechsel, musste heraus aus dem Alltagstrott. Ihre Schwiegereltern hatten sie und das Baby zwar in London besucht, aber Chloe fühlte sich verpflichtet, diesen Besuch mit Nicolas zu erwidern.
Alles war damals so weit problemlos verlaufen. Chloe saà schon im Zug nach Dijon und hörte mit ihrem iPod Musik, während Nicolas schlief. Sie dachte daran, dass sie zum ersten Mal mit Blumen zu Antoines Grab gehen würde. Ob sie es allein tun sollte? Oder lieber Jeannette bitten sollte, mit ihr zu
Weitere Kostenlose Bücher