Der Wunschzettelzauber
in einem netten kleinen Kleidergeschäft für Schwangere in Paris zusammenbrach, weil ich der Verkäuferin erklären musste, dass ich etwas Schwarzes für die Beerdigung meines Mannes brauchte â etwas Schwarzes, in dem mein dicker Bauch Platz fand.
4. Als mich bei der zweiten Ultraschalluntersuchung die freundliche Ãrztin in der »Hahaha-sind-Männer-nicht-hoffnungslose-Fälle « -Tour fragte, warum denn der Vater nicht dabei wäre und ob er sich nicht auf das Baby freute, und ich schlicht und einfach antwortete, dass er nicht dabei sein könne, weil er tot war. Ihr Gesichtsausdruck.
5. Der Augenblick, als sie mir den neugeborenen Nicolas in die Arme legten, und ich gar nichts fühlte.
6. Die Nacht, als ich mein Hochzeitskleid anzog und die ganze Nacht auf der Treppe saà und Antoines Foto in der Hand hielt und mit ihm sprach wie eine Verrückte.
7. Als ich Antoines Tod auf dem Standesamt melden musste und so durcheinander war, dass Antoines Vater alle Fragen an meiner Stelle beantworten musste.
8. Als ich wieder in London lebte und im Kaufhaus in der Abteilung Babyausstattung mechanisch wie ein Roboter alles Nötige auf der Einkaufsliste für Babysachen abhakte und überhaupt keine Freude dabei empfand. Ich musste mir sehr fest in die Lippen beiÃen, um mich zurückzuhalten. Am liebsten hätte ich mich auf die jungen Pärchen gestürzt, die dort zusammen Kinderwagen aussuchten und Händchen hielten, und hätte zu ihnen gesagt: »Ihr habt solches Glück, dass ihr euch habt. Wisst ihr, was mir passiert ist?«
9. Die Furcht davor, mich für den Rest meines Lebens so zu fühlen â geschockt und entsetzt und einfach grauenhaft.
Das Schreiben dieser Liste müsste eigentlich Nummer 10 werden, hatte sie sich gedacht. Schon das Durchlesen der Liste bewirkte, dass sie sich niedergeschlagen und mutlos fühlte. Dann hatte sie sich die Tränen fortgewischt und eine Zeitlang den winzigen Nicolas betrachtet, der in einer Wiege neben ihr schlief, und begonnen, sich durch die Fernsehsender zu zappen.
Als sie auf den Film Vier Hochzeiten und ein Todesfall mit Hugh Grant stieÃ, lieà sie die Fernbedienung sinken, obwohl sie den Film schon vor Jahren gesehen hatte und er schon halb vorbei war.
Zuerst blickte sie nur abwesend auf den Bildschirm, mit den Gedanken ganz woanders â bei Antoine, ihrer verlorenen Liebe, bei Nicolas, ihrem vaterlosen, schutzlosen Baby. Sie erinnerte sich, dass in diesem Film eine Beerdigungsszene vorkam. Wahrscheinlich würde sie dann den Sender wechseln müssen.
Nach einer Weile aber stellte sie fest, dass sie Hugh Grant mit einem gewissen kritischen Interesse betrachtete â mit und ohne Morgenmantel. Damals, als der Film ein Kassenschlager war, hatte sie selbstbewusst genug über Grants allgemeine Beliebtheit, sein Preppie-mäÃiges Aussehen und das zähnefletschende Grinsen gespottet. Nun aber, wenn sie ehrlich war, und nachdem sie alles mit etwas reiferen Augen betrachtete, gab Chloe gerne zu, dass Hugh wirklich ganz gut aussah.
Und da der Schauspieler praktisch in jeder Szene auftauchte, hielt der Film ihre Aufmerksamkeit bis zum Ende gefangen. Bei den Scherzen lachte sie kaum, aber schlieÃlich war ihr damals überhaupt wenig zum Lachen gewesen. Interessanterweise musste sie aber während des gesamten Films auch nie weinen. Selbst die Beerdigungsszene überstand sie, ohne den Raum verlassen zu müssen. An jenem Abend registrierte sich Chloe bei einem Online- DVD -Verleih und setzte versuchsweise die Filme Notting Hill (in dem Hugh einen Buchhändler, der sensibel und ein prima Kerl war, spielte), Sense and Sensibility (Hugh in steifem Kragen und Reithose mit diesen ⦠äh ⦠schicken RockschöÃen) und Ein Chef zum Verlieben (Hugh als Ãber-Engländer in New York) auf ihre Wunschliste. Die Filme landeten, einer nach dem anderen, in den folgenden Wochen in ihrem Briefkasten, und sie schaute sie an und beobachtete ihre eigenen Reaktionen. Es machte sie zwar nicht gerade glücklich, aber auch nicht unglücklich. Ein- oder zweimal musste sie zu ihrem eigenen Erstaunen sogar laut lachen, ein Geräusch, das sie seit Monaten nicht mehr von sich gegeben hatte.
Und dann hatte Chloe eines Tages, als sie zu viert auf dem Spielplatz waren, Sally, Kaja und Megan spontan zu sich nach Hause eingeladen, um mit ihnen zusammen den Liebesfilm Tatsächlich Liebe
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