Der Zauber des Engels
nicht in einem Haus Gottes befände und es nicht Blasphemie wäre, würde ich sagen, ich bete sie an. Aber sie besitzt eine wilde Schönheit und leidenschaftliches Temperament, und andere Männer mit niedrigeren Instinkten konnten dem, was mir gehört, nicht widerstehen, und so habe ich sie verloren.«
»Sie meinen …«
»Dass sie mich wegen eines Liebhabers verlassen hat, ja. Allerdings wohnt sie im Moment bei ihren Eltern, weil der Mann mittellos ist. Er hat ebenfalls seine Frau verlassen, sodass zwei Familien zerstört wurden. Wenn ich meine Arbeit nicht hätte, wüsste ich nicht, was ich tun sollte. Wahrscheinlich würde ich verrückt. Ich bin durch die Hölle gegangen, Miss Brownlow. Vielleicht schockiere ich Sie. Wenn das so ist, dann bedaure ich es sehr. Aber wir sprachen über das Leiden.« Er redete leise, sein Gesicht war ausdruckslos.
»Nein, ich bin nicht schockiert. Ich empfinde nur ein großes, großes Mitgefühl.« Laura konnte nur flüstern, und sie hatte Angst, ihre Stimme würde gänzlich versagen. Eine plötzliche Zärtlichkeit für ihn überkam sie.
»Danke. Ihr Mitgefühl bedeutet mir viel. Es gibt viele, die Schuldzuweisungen aussprechen. Meine Eltern schämen sich. Sie waren von Anfang an gegen die Hochzeit und warfen mir damals vor, ein Leben jenseits ihres eigenen Horizonts anzustreben. Daher sagen sie, es sei alles meine Schuld. Ihre Freunde empfangen mich nicht mehr. Das bedeutet mir nicht viel. Vor allem trauere ich um John, mehr als um alles andere auf der Welt.«
»Kann man denn gar nichts mehr tun?«
»Nichts, das ihn nicht noch mehr verletzen würde. Ich will versuchen, nicht um ihn zu kämpfen, auch wenn das Gesetz vielleicht auf meiner Seite wäre, denn schließlich wurde mir Unrecht angetan.«
Man hörte Schritte, dann ging die Tür auf. Es war Mr. Bond in Begleitung eines Polizisten.
»Sie sind immer noch hier?« Mr. Bond warf Mr. Russell einen misstrauischen Blick zu.
»Schauen Sie, ich habe eines der Geschosse gefunden«, antwortete Laura hastig. Mr. Bond hielt die Hand auf, und Laura legte den Kieselstein hinein. Ihre Blicke trafen sich, aber die Finger berührten sich nicht.
Eine Zeile aus der Geschichte, die sie gerade las, kam ihr in den Sinn. Ich habe um dein Herz gebeten, und du hast mir einen Stein gegeben. Es war fast so, als hätte sie die Worte laut ausgesprochen, denn ein Ausdruck der Enttäuschung trat in sein Gesicht.
Sie würde ihm ihre Entscheidung bald mitteilen müssen.
15. KAPITEL
Jedes sichtbare Ding auf dieser Welt untersteht der Verantwortung eines Engels.
Augustinus, Gottesstaat
Am Dienstag rief Jeremy Quentin an.
»Ich schreibe gerade die Tagesordnung für die Pfarrgemeinderatssitzung am Sonntag«, sagte er. »Ich möchte gerne das Thema Engelfenster ansprechen. Sind Sie weitergekommen?«
»Ich habe am Sonntag noch mal in Dads Papieren gesucht«, antwortete ich. »Aber ich brauche noch mehr Zeit. Tut mir leid. Ich werde mich sofort bei Ihnen melden, wenn ich etwas Neues finde.«
»Danke, Fran.« Er räusperte sich und fuhr zögernd fort: »Ich habe gemerkt, dass Sie am Freitag sehr durcheinander waren, und hatte deshalb ein schlechtes Gewissen. Es muss schwer für Sie sein. Bitte vergessen Sie nicht, dass wir an Sie denken.«
»Danke«, antwortete ich steif. Ich war immer noch verärgert, dass Dad sich ihm und nicht mir anvertraut hatte, aber ich wusste, dass es nicht Jeremys Schuld war.
»Sarah und ich sind immer für Sie da, wenn Sie uns brauchen«, schloss er.
»Danke«, sagte ich, dieses Mal etwas herzlicher. Schließlich taten sie ihr Bestes, um mir zu helfen.
Später an diesem Morgen kam die neue Lieferung des Großhändlers. Amber und ich verbrachten einige Stunden damit, die Kisten auszupacken und zu prüfen, ob die Ware dieses Mal die richtige war. Anschließend stapelten wir das neue Glas und hängten die Lampenschirme auf, während Zac sich in die Werkstatt zurückzog, um inmitten von Büchern und Papieren einen Entwurf für ein Kirchenfenster zu machen.
»Wie schön.« Fasziniert betrachtete ich seine Zeichnung, den Regenbogen über der Arche Noah, aus der die Tiere strömten.
»Der Auftraggeber wünscht sich etwas ganz Schlichtes in Antikglas«, erklärte er mir. »Als Pendant zu einer mittelalterlichen Adam-und-Eva-Darstellung an derselben Wand. Wenn sie sich für diesen Entwurf entscheiden, muss ich Davids Studio benutzen, um die feinen Schneidearbeiten zu machen.« Während er sprach, sah er sich in der Werkstatt um,
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