Der Zauber eines fruehen Morgens
erreichen.
Ein plötzlicher brennender Schmerz in seinem rechten Oberarm verriet Jimmy, dass auch er getroffen war. Entsetzt blickte er nach unten und sah Blut fließen. Er ging weiter, aber sein Arm fühlte sich an, als stünde er in Flammen, und die Schmerzen waren so schlimm, dass er hin und her schwankte. Er konnte kaum noch sein Gewehr halten – es abzufeuern war unmöglich.
»Mich hat’s erwischt, Bin!«, brüllte er. »Geh weiter zu den anderen! Nicht die Nerven verlieren!«
Bin wandte sich um, zögerte eine Sekunde, winkte dann kurz und lief weiter. Jimmy schleppte sich ein paar Schritte weiter und ließ sich in einen Granattrichter fallen.
Er musste das Bewusstsein verloren haben. Als er wieder zu sich kam, waren zwei andere Männer seines Regiments bei ihm, die beide vor Schmerzen stöhnten. Jimmy hatte immer noch seinen Tornister auf dem Rücken. Er biss die Zähne zusammen und nahm ihn vorsichtig ab. Es war noch früh am Morgen, doch schon sehr warm. Immer noch stürmten Männer vorbei, um zu den deutschen Linien durchzubrechen, und er wusste, dass er vor Sonnenuntergang keine Hilfe zu erwarten hatte. Als er die Seitenwände des Trichters betrachtete, erkannte er, dass er sie allein nie würde erklimmen können.
Vom Blutverlust war ihm schwindlig. Oder vielleicht lag es nur an dem Rum, den er vor Kurzem getrunken hatte.
»Wie schwer hat es euch beide erwischt?«, fragte er die anderen. »Kann ich euch irgendwie helfen?«
Es war der längste und schlimmste Tag seines Lebens, und Jimmy hatte seit seinem Eintritt in die Armee schon viele schlechte Tage erlebt. Er zog die Uniformjacke aus und bandagierte seinen Oberarm, und er tat, was er konnte, für die beiden anderen Männer. Aber sie hatten schwere Verwundungen in der Brust und verloren gegen elf Uhr morgens das Bewusstsein. Er versuchte, sich das Wasser, das er bei sich hatte, einzuteilen, doch es war so heiß, dass sein Durst irgendwann stärker war als alle guten Vorsätze.
Alles, was er von dem Trichter aus sehen konnte, war der wolkenlos blaue Himmel über ihm und ein nicht enden wollender Strom von Soldaten, die an ihm vorbeistürmten. Das Trommelfeuer ratterte unerbittlich weiter, und darüber hinweg hörte er die Schreie und das Stöhnen von Männern, die nur wenige Meter von seinem Trichter entfernt starben. Als die Sonne direkt über ihm stand, hatte er kein Wasser mehr, und die Schmerzen in seinem Arm waren so stark, dass er am liebsten auch geschrien hätte.
Er versuchte, an Belle zu denken, an die kühle Küche daheim. Aber obwohl er die Bilder ein, zwei Sekunden lang festhalten konnte, holten ihn der Lärm und das Abschlachten ringsum bald in die Wirklichkeit zurück.
Eine Ratte tauchte auf und lief zu einem der bewusstlosen Männer. Jimmy erschauerte und schleuderte einen Stein nach ihr, um sie zu verscheuchen. Die Ratte verschwand, doch es war klar, dass der Geruch von Blut sie und andere bald wieder anlocken würde. Jetzt stand er auf, um sich irgendwie aus dem Trichter zu hieven, aber ob es an den unzähligen Toten lag, die er rings um den Granattrichter sehen konnte, an seiner Verletzung oder einfach nur an der Hitze, seine Beine gaben unter ihm nach. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich wieder nach unten rutschen zu lassen. Als er nach den anderen beiden Männern sah, stellte er fest, dass sie tot waren.
Jetzt empfand er Zorn. Wie konnten die Generäle so viele Männer in den sicheren Tod schicken? Wenn das, was er von dem Trichter aus gesehen hatte, den ganzen Frontabschnitt entlang passierte, musste die Hälfte der britischen Armee ausgelöscht worden sein.
Es dämmerte, als man ihn endlich herausholte. Er musste den Großteil des Nachmittags bewusstlos gewesen sein. Als sie ihm eine Wasserflasche an die Lippen hielten, konnte er kaum schlucken, weil seine Zunge und sein ganzes Gesicht geschwollen waren.
Belle erhielt eine Woche, nachdem es passiert war, von Jimmy die Nachricht, dass er verwundet worden sei.
Es ist eine Schusswunde im Oberarm, aber mach dir keine Sorgen! Es ist nicht so schlimm. Man hat mich wieder zusammengeflickt und schickt mich demnächst auf Heimaturlaub. Ich bin einer von denen, die Glück gehabt haben. Meinen Kumpel Donkey hat es erwischt und viele andere, die ich kannte und gernhatte. Doch ich nehme an, du weißt, wie hoch die Verluste am ersten Juli waren.
Belle wusste es allerdings. Ab dem vierten Juli trudelten die Ersten im Lazarett ein, und am nächsten Tag war es schon eine wahre
Weitere Kostenlose Bücher