Der Zauber von Savannah Winds
sie auch nicht, als sie ihre Erkundung fortsetzte. Eine große Emaillewanne mit funkelnden Messingarmaturen stand in der Mitte des Badezimmers; die weißen Wandkacheln waren von einem griechischen Mäandermuster in Schwarz und Gold eingefasst. Dicke weiße Handtücher lagen auf den altmodischen Heizkörpern bereit, und der blankgescheuerte Dielenboden war teilweise mit schweren Teppichen bedeckt.
Das letzte Schlafzimmer, ein großer quadratischer Raum am Ende des Flurs, war Annies. Es lag getrennt von den anderen. Die Ausstattung bestand aus einem riesigen Doppelbett, weiß gestrichenem Mobiliar und einem Lehnstuhl, der mit farbigen Schals behängt war. Der Geruch von Eukalyptus und Lavendel hing in der Luft. Das musste der Duft der Frau gewesen sein, die hier geschlafen hatte.
Fleur setzte sich aufs Bett und stellte fest, dass die Matratze dick und weich und das weiße Leinen wie in den anderen Räumen perfekte Handarbeit war. Durch die beiden Fenster strömte Licht herein – zartes Grün auf der Waldseite und kleine hellgelbe Tupfer auf der Meeresseite, wo die Nachmittagssonne nicht durch einen Baum gefiltert wurde.
Vom Bett aus sah Fleur die Bucht. Eine Treppe führte hinunter auf einen kurzen Holzsteg im Wasser, an dem ein kleines Ruderboot vertäut war. Von Ehrfurcht ergriffen, beobachtete Fleur einen Schwarm hellblauer Eisvögel, der die Flucht ergriff und über das Wasser davonstob.
Die Ruhe umfing Fleur und brachte Frieden und Wohlgefühle mit sich, die sie seit Monaten nicht mehr empfunden hatte. Mit einem tiefen Seufzer dankte sie Annie stumm für dieses kostbarste aller Geschenke. Eine leichte Brise drückte das Blattwerk eines Baumes sanft gegen das Fenster, sodass es raschelte. Fleur lächelte, denn obwohl sie solchen Dingen eher skeptisch gegenüberstand, war ihr, als habe Annie sie gehört und ihr geantwortet.
Fleur verlor jegliches Zeitgefühl, während sie dort saß, die Aussicht und die Einrichtung von Annies Zimmer in sich aufnehmend, ohne etwas zu berühren. Sie betrachtete das Spitzentaschentuch und den Gedichtband auf dem Nachttisch, die abgetragenen Hausschuhe unter dem Lehnstuhl und den scharlachroten Seidenmorgenrock, der hinter der Tür hing. Er war eine auffallende Beigabe zu dem ansonsten schlichten Raum, und Fleur fragte sich müßig, wie er in Annies Besitz gelangt sein mochte.
Sie beschloss, diesen Raum zu belegen. Sie holte ihre Taschen herein, bevor sie ihren Erkundungsgang fortsetzte. Im großen Wohnraum nahm ein offener Kamin mit Eisenrost im Feuerraum den größten Teil einer Wand ein. Zu beiden Seiten stand ein tiefes Sofa. Eine Sammlung Hüte aus einem anderen Jahrhundert hing an einem Mantelständer in einer Ecke. Auf einem Beistelltisch fand sich ein altmodisches Grammophon, dazu ein Stapel alter Schallplatten in staubigen braunen Papphüllen. Eine andere Wand war fast vollständig mit gerahmten Schwarz-Weiß-Fotos und alten Landkarten bedeckt.
In einer Ecke stand ein Klavier, die Noten für »Waltzing Matilda« lagen noch darauf. Als Fleur den Deckel hob und auf die vergilbten Tasten drückte, stellte sie jedoch fest, dass das Instrument hoffnungslos verstimmt war. Die anderen Möbelstücke waren alt und schwer. Obwohl sie noch nicht der Feuchtigkeit zum Opfer gefallen waren, hing der erdige Geruch von schwüler Luft überall, und deren verheerende Wirkung war an den schimmelnden Büchern und mottenzerfressenen Vorhängen zu erkennen, die gegen die Sonne zugezogen waren. Dennoch überkam Fleur ein Gefühl des Willkommenseins und der Behaglichkeit. Sie schlenderte an den Fotos vorbei, blieb hier und da stehen, um die Beschriftung zu entziffern, bevor sie ihren Rundgang in der Küche fortführte.
Verglichen mit dem Rest des Hauses war diese recht modern eingerichtet; es gab eine Edelstahlspüle, einen großen Kochbereich und sogar Kühlschrank, Waschmaschine und Mikrowelle. Die gebeizten und lackierten Holzregale waren gut gefüllt mit Porzellan, Gläsern und Kochutensilien, der Boden war mit Linoleum ausgelegt. Ein großer rechteckiger Tisch mit Bänken und Stühlen stand am Fenster; die gescheuerte Oberfläche zeugte von jahrelanger Nutzung. Auf diesem Tisch fand Fleur unter einem kleinen Brotkorb eine Notiz.
Liebe Mrs. Mackenzie,
willkommen auf Birdsong! Ich habe den Kühlschrank und die Speisekammer gefüllt und dafür gesorgt, dass die Betten gelüftet wurden. Sollten Sie etwas benötigen, rufen Sie bitte untenstehende Nummer an – aber ich bin mir sicher, dass
Weitere Kostenlose Bücher