Der Zauberer von Stonehenge
Obdachlosen weiß doch jeder über jeden Bescheid. Geheimnisse gibt es da keine.«
»Wie du meinst.«
Wir hatten die Straße erreicht, in der das Asyl lag. Auf der rechten Seite wuchsen gewaltige Wohnblocks in die Höhe. Abstoßende Kästen, grau und häßlich. Wer die damals gebaut hatte, sollte sich schämen.
»Soll nicht einer von uns im Wagen bleiben?« fragte Suko.
»Nein, wir riskieren es.«
Ich lenkte den Rover an den linken Straßenrand. Das Heim lag den Wohnbaracken gegenüber. Aus den Fenstern schauten zahlreiche Bewohner, und vor den Haustüren lungerten Jugendliche. Es herrschte eine seltsame Atmosphäre. Auf beiden Gehsteigen befanden sich verschiedene Welten, nur getrennt durch eine Straße, die kaum jemand überqueren wollte. Mit den Obdachlosen wollten die Bewohner in den grauen Kästen nichts zu tun haben.
Natürlich lungerten auch vor dem Eingang des Heims die Männer herum. Manche von ihnen lehnten an der Hauswand, andere hatten es sich auf dem Boden bequem gemacht, obwohl er so kalt war.
Als wir ausstiegen, bekamen die Augen der Männer völlig andere Blicke. Die Lethargie verschwand aus ihren Pupillen. Sie nahmen so etwas wie Interesse an, natürlich auch Abwehr und manchmal Haß. Wir kamen aus einer anderen Welt. Und nicht nur das. Es gibt gewisse Personen, die riechen es, wenn Polizisten vor ihnen stehen. Auch unter den Obdachlosen befanden sich einige, denn ich hörte die geflüsterten Worte.
»Das sind Bullen.«
Es war gut, daß sie es wußten. So würden sie wenigstens unseren Wagen in Ruhe lassen, wobei ich nichts dagegen hatte, daß zwei Frauen die Kühlerhaube als Sitzplatz zweckentfremdeten.
Die beiden schauten uns provozierend an und gaben uns durch Bemerkungen zu verstehen, was sie von uns hielten und was wir mit ihnen machen konnten.
Um diese Bemerkungen durften wir uns nicht kümmern. Das Gespräch mit Phil Grover und dem Leiter des Asyls war wichtiger. Einer der Kerle stand uns plötzlich im Weg. Er war angetrunken. Die Fahne floß aus einem breiten Maul. Sein Gesicht sah aus wie das eines Gorillas. Böse und aus rot geränderten Augen stierte er uns an. Hinter ihm standen drei Männer als Deckung.
»Bullen kommen hier nicht rein«, sagte er mit schwerer Stimme.
»Ja, gib's ihm, Pete!« meldeten sich die Typen in seinem Rücken. »Gib's ihm ordentlich.«
Pete nickte. »Seht ihr, da sind meine Freunde.«
Suko sprach. »Tut mir leid für dich. Pete. Du willst doch keinen Ärger haben — oder?«
»Nein.«
»Dann mach bitte den Weg frei. Es ist besser für uns alle. Tust du mir den Gefallen?«
Pete lachte. »Guckt mal, wie höflich die plötzlich sein können. Das ist direkt außergewöhnlich. Die sind so etwas von höflich, nein, das ist kaum zu fassen.«
»Können wir vorbei?« fragte ich.
»Du nicht, Stinker!«
Ich schüttelte den Kopf, fand es auch nicht mehr lustig. Zudem hatte ich nicht vor, den Clown abzugeben. Unsere Aufgabe war einfach zu wichtig.
Ich schaufelte ihn zur Seite. Pete hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten, durch meinen Stoß verlor er vollends das Gleichgewicht und setzte sich unfreiwillig nieder.
Die drei anderen Kerle wollten kommen. »Lieber nicht!« sagte Suko. Er hatte mit einer Stimme gesprochen, die sehr hart klang. Die Kerle hatten verstanden. Sie blieben, wo sie waren, grinsten dümmlich und kümmerten sich um Pete. Den mußten sie noch hochziehen. Ich betrat vor Suko das Heim. Es gibt gewisse Gerüche, die ich nicht mag. Der Duft, der mir aus dem Gang entgegenwehte, gehörte dazu. Er setzte sich zusammen aus einer Mischung von Schweiß, Alkohol und anderen Dingen, die im Moment für mich nicht zu identifizieren waren. Hinzu kam eine dicke Wärme. Der grau gestrichene hohe Heizkörper an der rechten Seite strahlte sie ab.
»Wo finden wir euren Chef?« Suko sprach einen Mann an, der uns entgegenkam.
»Gallico?«
»Geh weiter durch, Schlitzauge. Ich weiß aber nicht, ob Gallico noch jemanden aufnimmt.«
»Mich bestimmt.«
»Einen Chinesen oder so haben wir noch nicht. Trinkst du immer Tee oder auch was Hartes?«
Suko diskutierte nicht mehr weiter und ließ den Obdachlosen stehen. Ich mußte grinsen.
Gallico würden wir also auf dieser Etage finden. Unsere Blicke glitten über Türen. Weiter vorn sahen wir eine Treppe. Dann wurde einer der Türen auf der rechten Seite geöffnet und schnell wieder zugezogen. Die Gestalt, die aus dem Zimmer kam, ging geduckt. Sie wandte uns auch den Rücken zu. Erst als sich der Mann
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