Der Zauberspiegel
achtete nicht auf sie. Sie ertrug den Gedanken nicht, was mit seiner Seele geschehen mochte, wenn er ausführte, wonach jede Faser seines Seins verlangte. »Nenn mir einen Grund, warum ich dich am Leben lassen soll«, spie er hasserfüllt hervor.
»Du wirst mich nicht töten, du dreckiger Morvanne! Du und deinesgleichen habt gar nicht den Schneid zu so etwas.«
Mit einer einzigen, fließenden Bewegung schnitt Aran Crom die Kehle durch. Der Spitzel brachte noch einen gurgelnden Ton hervor und sank zu Boden. Aran stieß ihn von sich.
Einen Moment starrte er auf den Leichnam, dann wandte er sich ab und wollte an Juliane vorbeilaufen.
Doch sie trat ihm in den Weg und umarmte ihn. Einen Augenblick blieb Aran wie erstarrt stehen, ehe er die Geste erwiderte. Juliane fühlte wohl seine Trauer, den Schmerz und die Verzweiflung. Seiner Seele hätten Tränen gutgetan, doch er hatte vor so langer Zeit verlernt loszulassen, und so weinte Juliane für ihn. Sie verharrten in ihrer Umarmung, bis Kalira und einige andere Rebellen angelaufen kamen.
Kalira warf einen kurzen Blick auf Croms Leiche. Juliane tat es ihr nach. »Aran hatte recht, Crom war ein Todesreiter. Er hatte den Tod tausendmal verdient.«
Julianes Worte lösten seine Erstarrung. Seine Augen brannten und er wusste, dass sein Anblick ihr Schauder über den Rücken jagte.
Nein, flehte er. Ihr Götter, lasst sie nicht so werden wie mich.
Er griff nach Julianes Hand und sie blinzelte überrascht.
Kalira gab zwei Männern ein Zeichen, die Leiche Croms fortzutragen, dann wandte sie sich an Juliane und ihn. »Die Soldaten sind tot. Einige unserer Leute sind verletzt«, berichtete sie. »Helft ihr, das Chaos dort drinnen zu beseitigen?«
Sie nickten und folgten Kalira zurück in die Höhle. Aran schlug der bekannte Geruch warmen Blutes entgegen, der die Luft schwängerte wie Pesthauch. Übelkeit stieg in ihm auf, und der metallische Duft weckte unangenehme Erinnerungen, die er lieber vergessen wollte. Er unterdrückte den Ekel wie immer und half den anderen bei der Beseitigung der Toten.
*
Später, nachdem das Blut von Tischen und Boden so gut wie möglich entfernt worden war, saßen die Rebellen zusammen, um sich über ihre weitere Vorgehensweise zu beratschlagen. Juliane fragte sich, warum sie ihr Traum nicht vorab gewarnt hatte. Wozu litt man unter solchen Albträumen, wenn sie zu nichts nütze waren?
Brack schmetterte die Faust auf den Tisch. »Ich sage euch, wir müssen schnell handeln! Sie kennen unser Versteck und werden wiederkommen und uns erneut angreifen.«
»Du hast recht, Brack«, stimmte Elyna zu. »Wenn sie unseren Aufenthaltsort kennen …«
»Euer Unterschlupf ist den Soldaten seit Jahren bekannt«, unterbrach Aran Elyna.
Die anderen starrten Aran mit einer Mischung aus Furcht und Überraschung an.
»Dann ist es meine Schuld, dass sie uns angegriffen haben.« Ein flaues Gefühl breitete sich in Julianes Magen aus. »Nachdem wir Moira befreit haben, wussten sie, dass die Prophezeiung sich erfüllt, und schickten Crom als Spion her. Er muss sie benachrichtigt haben, sobald wir ankamen.«
Einige nickten zustimmend. Grauen stieg in Juliane auf, als sie realisierte, dass sie die Ursache für den Kampf gewesen war.
»Wir müssen so schnell wie möglich aufbrechen«, empfahl Moira und meldete sich damit zum ersten Mal zu Wort. »Wir dürfen Kloob keine Gelegenheit geben, Juliane Leid anzutun!«
Zustimmendes Gemurmel breitete sich unter den Anwesenden aus und in Juliane stieg Übelkeit auf, als ihr die Bedeutung von Moiras Worten klar wurde.
Rael stand auf und hob beschwichtigend die Arme.
»Seid ruhig, Freunde. Wir packen noch heute unsere Sachen und brechen morgen bei Sonnenaufgang auf. Wir erobern das Königreich zurück«, kündigte Rael an. Er warf Juliane einen flüchtigen Blick zu und ihr schien, als hob sich für einen Moment sein Mundwinkel. »Juliane erobert Goryydon zurück.«
Mit jedem Wort sank Juliane mehr in sich zusammen. Sie wusste, wie wichtig das weitere Geschehen war. Doch einige von ihnen würden diesen Kampf nicht überleben. Sie würde Kloob gegenübertreten müssen und die Schicksalsmächte allein würden darüber bestimmen, ob sie siegreich wäre, und diese Begegnung obendrein überlebte.
Sie erschauderte darüber, wie viel allein von ihr abhing. Sieg oder Niederlage hingen entscheidend von ihrem Erfolg ab.
Wieder stiegen Nervosität und Übelkeit in ihr auf. Sie benötigte dringend frische Luft und Zeit für
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