Der Zauberstein von Brisingamen
ihre Stirn trug sie ein goldenes Band. Es schien, dass nichts von ihren Abenteuern vor ihr verborgen geblieben wäre, und sie hatte viel zu erzählen. Die Lios-Alfar des Westens, sagte Angharad, würden Jahr für Jahr weniger.
Nur jenseits von Minith Bannawg hielten sie noch in beträchtlicher Zahl Hof. Und als das Gerücht von der Entführung Feuerfrosts durch Grimnir und Morrigan zu ihnen gedrungen war, sei Atlendor, Herr der Elfen und Sohn Nafs, nach Süden aufgebrochen, um herauszufinden, was wahr sei an dieser Geschichte. Als er auf der Insel anlangte, war er schon krank von dem Rauch der Menschen, und Angharad pflegte ihn wieder gesund. Als dann am vorigen Abend der Stromkarl von Goldenstone hierhin kam, beschloss Atlendor zu seinem Volk zurückzukehren, da die Nachrichten über Feuerfrost gut klangen und er in Prydein gebraucht wurde. Er hatte sich an diesem Morgen in aller Eile auf den Weg gemacht, um der verschmutzten Luft zu entrinnen, und nachdem er den Spionen im Wald Radnor den Garaus gemacht hatte, wagte er nicht mehr, noch länger dazubleiben.
Der Traum führte sie weiter durch eine Welt sonniger Fröhlichkeit, Stromkarls brachten Fenodyree und den Kindern Mäntel aus rotem Tuch, die aus den Bärten von Riesen gewebt und mit weißer Satyrwolle gefüttert waren. Vier Mäntel wurden zusammengenäht, um Gowthers breite Schultern zu bedecken.
«Und du», sagte Angharad Goldenhand, «die du am meisten von konkreter Gefahr bedroht bist, nimm dieses mein Armband. Es wird dich auf deiner Reise beschützen, und wenn das andere bei Cadellin Silberbraue ist, betrachte dies als gerechten Tausch, denn es hat manche gute Eigenschaften.»
Sie nahm ein Band aus hellem Metall von ihrem Arm und befestigte es an Susans linkem Handgelenk.
«Mögen die Schläfer sicher ruhen in Fundindelve.»
«Vielen… vielen Dank.»
Susan war von solcher Großzügigkeit überwältigt, normalerweise hätte sie das verlegen gemacht, aber unter Angharads warmem Lächeln konnte sie nicht verlegen werden.
Das Bild löste sich wieder auf, aber diese goldenen Augen voller Sonnenschein blickten beharrlich durch die kreisenden Farben ihres Traums.
«Danke», sagte Susan.
Die goldenen Augen verschwanden.
«Danke. Danke!»
Die Stimme klang laut in ihrem Kopf, das Kaleidoskop machte dem wiederkehrenden Bewusstsein Platz, das ihre Worte dumpf tönen ließ. Susan wusste, dass sie fast wach war, wach in einer Welt aus Schnee, Hunger, Erschöpfung und großer Gefahr. Verzweifelt versuchte sie wieder in den Schlaf, in jene andere Realität zu gelangen, aber der Widerstand war zu stark. Ihre Sinne kehrten einer nach dem andern wieder. Sie spürte, wie die Luft ihr mit eisigen Klingen in die Lunge stach, und als eine umherschwebende Schneeflocke sanft auf ihrer Wange landete, stöhnte sie und wühlte ihren Kopf in die Beuge ihres Ellbogens. Dann öffnete Susan mühsam die Augen und versuchte angestrengt wieder scharf zu sehen. Aber der Schlaf saß ihr noch in den Gliedern, und es verging eine volle Viertelminute, ehe sie erkennen konnte, was sie da eben an ihrer Wange gespürt hatte.
Susan war in einen Mantel aus bronzerotem Haar gehüllt, der mit lockigem Fell gefüttert war. Irgendetwas umschloss ihr Handgelenk, etwas, das vorher nicht da gewesen war. Sie befreite ihren Arm aus dem Mantel, um nachzusehen, was das war: ein silbernes Armband.
Die anderen waren jetzt auch wach. Colin und Gowther befühlten wie betäubt ihre Mäntel. Von einem klaren, bitterkalten Himmel schien der abnehmende Mond.
«Aber das war doch ein Traum… !!»
«… Und die Stromkarls…»
«Das kann doch nicht wahr sein…»
«Hast du gesehen…?»
«Ich auch!»
«Außerdem war Sommer!»
«… und all das Essen!»
«Bist du hungrig?»
«Nein!»
«Im Schnee sind nur unsre Fußabdrücke.»
«Aber diese Mäntel…»
«Und was ist damit?», sagte Susan.
«Oh, ein wertvolles Geschenk», sagte Durathror.
Sie hatten die Zwerge über ihrem verblüfften Geplapper ganz vergessen.
«Oh, hallo!», sagte Gowther. «Das freut mich aber, dass wir hier jemand haben, der Bescheid weiß! An einem einzigen Tag musste ich Hexen, Schreckgespenster und grüne Spukgestalten hinnehmen, und nach all dem hab ich nicht viel Lust mit dir zu streiten, aber jetzt, wo wir so weit sind, dass ich nicht mehr weiß, ob ich schlafe oder wache, fang ich doch an mich zu fragen, ob ich nicht vielleicht das Ganze nur träume!»
«Träume, Blendwerk, das ist nicht leicht auseinander zu
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