Der Zauderberg
Ihre Ersparnisse erwirtschaften Zinsen, und auf diese erhalten Sie wieder Zinsen, genau wie Ihre Kinder wieder Kinder bekommen. Das hat beträchtliche Auswirkungen: Wenn Sie zwischen dem 20. und dem 30. Lebensjahr jedes Jahr 4000 Euro auf die hohe Kante legen, dann gehen Sie schließlich mit einem größeren Batzen in Rente, als wenn Sie nach dem 30. Lebensjahr jedes Jahr dieselbe Summe sparen. Oder stellen Sie sich die Indianer vor, die Manhattan für Glasperlen im Wert von 16 US-Dollar verkauft haben. Wenn sie dieses Geld angelegt hätten, dann könnten sie mit Zins und Zinseszins die Insel heute komplett zurückkaufen, die Weihnachtsbeleuchtung des Rockefeller Center und die Ledersessel in den Vorstandsetagen des Trump Tower inklusive. 14 Aufschieber wissen nur zu gut, dass sie Geld fürs Alter oder für schlechte Zeiten auf die Seite legen sollten, doch sie halten sich leider zu selten daran. In der bekannten Fabel von Äsop wären sie die Heuschrecke und nicht die Ameise. All diese Zinseszinsen und potenziellen Dividenden sind verloren und nicht wieder wettzumachen. Ein Artikel des Financial Services Review kam zu dem Schluss: »Sparer, die spät mit der Geldanlage beginnen, müssen mit Beiträgen rechnen, die nur noch für Großverdiener erschwinglich sind.« 15
Zusätzlich neigen Aufschieber dazu, ihre Konten zu überziehen und ihre Kreditkarten stark zu belasten. Deswegen verwenden sie Monat für Monat das neue Einkommen darauf, die alten Schulden zu begleichen. Viele Haushalte schieben auf diese Weise einen Schuldenberg von annähernd 10000 Euro vor sich her. 16 Aufschieber zahlen grundsätzlich die höchsten Zinsen: In den Vereinigten Staaten zwischen 29 und 32 Prozent und in Mexiko sogar bis zu 113 Prozent pro Jahr. In vielen Ländern dürfen Banken die Zinsen sogar noch weiter anheben, wenn Sie auch nur eine einzige Rechnung zu spät bezahlen. Ein Ausrutscher, und Sie sitzen in der Falle. Sie fragen sich, wieso Kreditkartenunternehmen auch in Krisenzeiten Rekordgewinne erzielen? Fragen Sie die säumigen Zahler. 17 Sie sind nicht umsonst die Lieblingskunden der Branche. 18
Von allen wissenschaftlichen Studien, die zeigen, wie schlecht die Aufschieberitis Ihrem Geldbeutel bekommt, finde ich eine besonders bemerkenswert. Sie untersuchte Wirtschaftsstudenten der University of Chicago, die große Stücke auf ihre Schläue gaben, und demonstrierte eindrucksvoll, wie sich Aufschieber selbst ein Bein stellen. 19 Nachdem die Teilnehmer an einer Reihe von Spielen teilgenommen hatten, bei denen sie bis zu 300 US-Dollar gewinnen konnten, durften sie entscheiden, wie ihr Gewinn ausgezahlt werden sollte. Sie hatten die Wahl, entweder sofort einen Scheck mitzunehmen oder lieber zwei Wochen zu warten und eine größere Summe zu erhalten. Und jetzt erfahren Sie, warum Aufschieber ärmer sind: Obwohl die meisten Teilnehmer ihren Gewinn sofort einstecken wollten, lösten sie ihren Scheck im Durchschnitt erst vier Wochen später ein. Sie schoben den Gang zur Bank also doppelt so lange auf, als sie auf den höheren Gewinn hätten warten müssen. Diese Mischung aus Säumigkeit und Ungeduld ist weit verbreitet: Zwei Drittel aller Teilnehmer wollten ihr Geld auf der Stelle.
Wenn es bei Ihnen immer noch nicht geklickt hat, dann will ich Ihnen ein letztes Beispiel mitgeben, das definitiv letzte Beispiel: Ihr Testament. Schon im Jahr 1848 schrieb ein gewisser Lewis Judson, Aufschieber liehen sich nicht nur übermäßig viel Geld, sie schöben auch ihren letzten Willen auf: »Die meisten Menschen warten mit ihrem Testament, bis sie auf dem Sterbebett liegen. Und selbst dann schieben sie es noch auf, bis sie schließlich zu schwach sind, ihre Verhältnisse zu ordnen, und die Anwälte mehr kassieren als die Erben.« 20 Seit damals hat sich wenig geändert: Ich möchte wetten, dass Sie entweder gar kein Testament haben oder dass es hoffnungslos veraltet ist. 12a Sie müssen die Konsequenzen Ihrer Aufschieberei zwar nicht mehr tragen, aber es ist vermutlich das schlimmste Erbe, das Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden hinterlassen können. 21 Viele Menschen sterben ohne Testament – drei Viertel der Bevölkerung, um genau zu sein. Der amerikanische Komponist George Gershwin, der Rockmusiker Richie Valens, der Milliardär Howard Hughes, der Schlagzeuger Keith Moon und der Soulsänger Barry White, sie alle hinterließen keinen letzten Willen. Selbst Abraham Lincoln und Martin Luther King, die nicht nur gegen die Trägheit
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