Der Zauderberg

amerikanische Dichter Robert Pinsky meint, der »Mann aus Porlock« sei nur die berühmteste Ausrede einer ganzen Galerie von Schriftstellern, »die ein größeres Talent haben, Entschuldigungen zu erfinden, als zu schreiben«.
    Aber was waren die Früchte von Coleridges Trägheit? In A Bondage of Opium (sinngemäß: »Gefangener des Opiums«) urteilt seine Biografin Molly Lefebure: »Sein Leben war ein endloser Sumpf aus Ablenkungen, Ausflüchten, Lügen, Schulden, Erniedrigungen und Versagen.« Ein Leben lang litt er unter Geldnot, und trotz aller Planung fing er die meisten seiner Projekte gar nicht erst an und brachte noch weniger zu Ende. Sein Gesundheitszustand war desolat, was zum Teil mit seiner Opiumsucht zusammenhing, aber er schob den Entzug ein Jahrzehnt lang vor sich her. Die Last der verstrichenen Abgabetermine nahm ihm jegliche Freude an der Arbeit: »Meine glücklichsten und schöpferischsten Momente werden unterbrochen von dem Gedanken, dass ich mich beeilen muss.« Wegen seiner Aufschieberei verlor er einzigartige Freunde wie Wordsworth, und seine Ehe zerbrach.
    Coleridges Leid macht nur allzu deutlich, dass unsere Aufschieberitis sämtliche Bereiche unseres Lebens beeinträchtigen kann. Allerdings machen nur die hartgesottensten Aufschieber derart traurige Erfahrungen wie Coleridge. Die meisten von uns trödeln nur in ganz bestimmten Lebensbereichen. Um herauszufinden, was Menschen heute besonders gern aufschieben, stellte ich eine Umfrage auf meine Website, die von viertausend Besuchern ausgefüllt wurde. Ich bat die Teilnehmer, mir mitzuteilen, in welchen von zwölf zur Auswahl stehenden Bereichen sie am meisten trödelten und wo ihnen dadurch die größten Probleme entstanden. 1 Die Ergebnisse können Sie Tabelle 1 entnehmen. In der ersten Spalte steht der jeweilige Lebensbereich, in der zweiten die durchschnittliche Aufschieberitis der Teilnehmer (2 steht für selten, 3 für manchmal, 4 für häufig) und in der dritten der Anteil der Teilnehmer, die den betreffenden Bereich als eines der drei wichtigsten Probleme identifizieren. Achten Sie in der Tabelle vor allem auf Zeilen, in denen beide Zahlen hoch sind: Das sind die besonderen Problembereiche.
Die zwölf wichtigsten Lebensbereiche        
durchschnittliche Aufschieberitis (1 bis 5)        
eines der drei größten Probleme
1. Gesundheit
Sport, Diät, Gesundheitsvorsorge
(z.B. »Ich schiebe Sport oder eine Diät auf.«)
        3,4        
42,2 Prozent
2. Beruf
Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, Eintritt ins Arbeitsleben
(z.B. »Ich schiebe es auf, mich nach einem besseren Arbeitsplatz umzusehen oder mich um eine Lohnerhöhung zu bemühen.«)
        3,3        
56,8 Prozent
3. Ausbildung
Schule, Lernbereitschaft, Leistungen
(z.B. »Ich schiebe Prüfungsvorbereitungen oder meinen Abschluss auf.«)
        3,3        
32,9 Prozent
4. Gemeinschaft
Freiwilligenarbeit, politisches Engagement
(z.B. »Ich schiebe es auf, anderen zu helfen oder ihnen meine Zeit zur Verfügung zu stellen.«)
        3,2        
12,1 Prozent
5. Beziehung
Liebe, Sex, Ehe
(z.B. »Ich schiebe es auf, mich um eine Partnerschaft zu bemühen oder eine Beziehung zu beenden.«)
        3,0        
24,0 Prozent
6. Geld
Finanzielle Entscheidungen
(z.B. »Ich schiebe die Bezahlung von Rechnungen auf oder spare nicht für meine Rente oder eine große Anschaffung.«)
        2,9        
35,9 Prozent
7. eigene Person
Persönliche Entwicklung, Arbeit an Einstellungen und Verhaltensweisen
(z.B. »Ich vermeide es, Selbsthilfebücher zu lesen und mich zu verändern.«
        2,9        
29,6 Prozent
8. Freunde
Pflege der Beziehung zu nahestehenden Personen
(z.B. »Ich schiebe es auf, mehr Zeit mit Freunden zu verbringen oder sie zu mir nach Hause einzuladen.«)
        2,9        
23,5 Prozent
9. Familie
Pflege der Beziehung zu Eltern und Geschwistern
(z.B. »Ich schiebe es auf, mit meiner Mutter zu telefonieren oder meine Eltern zu besuchen.«)
        2,7        
18,9 Prozent
10. Freizeit
Verein, Erholung, Hobbys
(z.B. »Ich schiebe es auf, mich einem Sportverein anzuschließen oder eine Urlaubsreise zu unternehmen.«)
        2,7        
11,4 Prozent
11. Spiritualität
Religion, Philosophie, Sinn des Lebens
(z.B. »Ich schiebe es auf, zu meditieren oder eine Kirche/Moschee/Synagoge zu besuchen.«)
        2,5        
8,5 Prozent
12. Kinder
Aktivitäten mit den