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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Einwohner von Winter fassungslos. Karl Anderson, wohnhaft in der County Road 2752 AA, machte die schreckliche Entdeckung, als er am Morgen des 20. Oktober seine Scheune betrat. Mr Anderson berichtet, er habe ein Stöhnen gehört und den Ermordeten in einer Blutlache vorgefunden. Die Mordwaffe, eine Heugabel, steckte noch in der Brust des Opfers. Daneben lag schwer verletzt der bekannteste Bürger der Stadt, der Fabrikant Charles Eisenmann. Mr Eisenmann wird derzeit im St. Agnes-Krankenhaus behandelt. Laut Auskunft der Ärzte hat der Millionär viel Blut verloren, schwebt aber nicht mehr in Lebensgefahr.
    Mr Eisenmann gibt an, er sei von einem gewissen Mordechai Mendel Witek, 40, überfallen worden – diese Auskunft erteilte uns Sheriff Jasper Cage. Bis jetzt ist offiziell noch kein Tatmotiv bekannt, und die Polizei nimmt keine Stellung zu diesbezüglichenVermutungen. Es geht allerdings das Gerücht um, Mr Witek sei in die reiche Erbin Catherine Bleverton, 25, aus Milwaukee verliebt gewesen. Unsere Leser werden sich erinnern, dass Mr Eisenmann und Miss Bleverton ihre Hochzeit für das kommende Frühjahr angekündigt haben. Unser Reporter kann nicht bestätigen, dass Miss Blevertons Dienstboten zur Befragung von der Polizei einbestellt wurden, wie es allgemein heißt. Miss Bleverton ist derzeit nicht erreichbar. Uns ist auch nicht bekannt, ob sie ebenfalls befragt wurde.
    Für die Suche nach dem Tatverdächtigen hat Sheriff Cage Verstärkung aus den Landkreisen Clarendon und Hunter angefordert. Doch je mehr Zeit verstreicht, desto geringer sind die Aussichten, den Flüchtigen aufzuspüren. Witeks nächste Angehörige, seine Frau Chana und die beiden Kinder Marta, 17, und David, 8, bleiben vorläufig in Schutzgewahrsam.
    »Schutzgewahrsam …«, wiederholte Sarah nachdenklich. »Vielleicht wollte der Sheriff ja vorbeugen, dass Witek bei seiner Frau unterschlüpft.«
    »Ich glaube, es steckt mehr dahinter. Lies mal weiter.« Ich deutete auf die Überschrift des nächsten Absatzes.
     
    JÜDISCHE GEMEINDE BESTÜRZT
     
    Albert Saltzman, Vorsitzender der Gemeinde Beit Tikwa, äußerte sich erschüttert: »Niemand hätte Mordechai eine solche Tat zugetraut. Hoffentlich ist unseren christlichen Freunden und Nachbarn bewusst, dass es sich um das Verbrechen eines Einzelnen handelt, der keinesfalls repräsentativ für alleMitglieder der jüdischen Gemeinde von Winter ist. Unsere Gemeinde besteht jetzt seit über fünfzig Jahren. Wir betrachten Winter als unsere Heimat. Für jene von uns, die hier Zuflucht vor Hitlers Schergen gefunden haben, ist die Stadt ein rettender Hafen. Dass wir uns für gesellschaftliche Reformen einsetzen, schmälert keinesfalls die Wertschätzung und Zuneigung, die wir für unsere christlichen Brüder hegen.«
    Dennoch ist das Verhältnis zwischen der jüdischen Gemeinde und den Bürgern von Winter seit Monaten angespannt. Ein Grund dafür ist das Vorhaben der Eisenmann-Betriebe, den derzeitigen Arbeitskräftemangel durch den Einsatz von Gefangenen zu beheben. Die jüdische Gemeinde hat sich besonders vehement dagegen ausgesprochen. In ihrem Gotteshaus finden sowohl Gemeindesitzungen als auch Gewerkschaftsversammlungen zu diesem Thema statt.
    »Es passt mir einfach nicht«, sagt ein jüdischer Bürger von Winter, der nicht namentlich genannt werden möchte. »Für unsereinen ist das ein Schlag ins Gesicht. Mir ist es lieber, die Ernte verkommt oder die Fabrik steht still, als dass man diese Leute hierherholt.«
    Wir möchten nicht unerwähnt lassen, dass der gesuchte Witek erst kürzlich zum Gewerkschaftssprecher für die laufenden Verhandlungen gewählt wurde. Zehn Tage vor dem Mord wurden diese jedoch abgebrochen, und man rechnete damit, dass Witek seine Ortsgruppe zum Streik aufrufen würde. Aufgrund dieser Nachricht verloren auch die Aktien der Eisenmann-Betriebe rapide an Wert, was vielerorts Empörung hervorrief. Viele in der Gegend Ansässige sind der Meinung, dass die überwiegend aus osteuropäischen Juden bestehende Ortsgruppe der Gewerkschaft den landesweiten Mangel an Fachkräftenausnutzen will und darum die Schließung von Camp Winter fordert.
    »Wir sind auf die Fabrik angewiesen«, erklärt Edith Werner, Inhaberin der Bäckerei Werner an der Ecke 13. Straße. »Die Arbeiter sind unsere Hauptkundschaft. Natürlich kaufen auch die Bauern bei uns ein. Aber wenn ich mich auf die Saisonarbeiter der Landwirtschaft verlassen müsste, könnte ich meinen Laden dichtmachen. Unsere Stadt hat der

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