Der Zeitenherrscher
geworden, was wirklich wichtig in meinem Leben ist.“
„Du zitterst ja!“ Nin-Si sah an Caspar herunter. Er musste völlig überhastet das Schiff verlassen haben, um ihren Spuren zu folgen, denn er stand ohne zusätzliche wärmende Kleidung vor ihnen, bibbernd und vor Kälte mit blauen Lippen.
„Warte!“ Nin-Si lief zu dem Strauch, hinter dem sie die Decken und den Proviant verstaut hatten, und legte Caspar eine der Decken über die Schultern.
„Schon ein wenig zerrissen, aber immer noch warm“, sagte sie und versuchte, ihm aufmunternd zuzulächeln, während Salomon ihn mit dem Wasser aus der letzten Feldflasche und dem Rest Brot versorgte.
Simon stand vor Caspar und strahlte über das ganze Gesicht.
„Perfekt“, sagte er. „Jetzt sind wir komplett.“ Er wies auf die Anhöhe. „Und wir sollten uns beeilen. Wir haben nicht mehr allzu viel Zeit.“
„Zeit – ja“, murmelte Caspar, und sein Blick verfinsterte sich. In Gedanken sah er die Sanduhr vor sich und den großen Hügel Sand im unteren Glas. Er überlegte, ob er die Freunde einweihen sollte, doch dann entschied er sich dagegen. Er wollte den Druck nicht noch erhöhen. Bestimmt ergab sich eine bessere Gelegenheit, wenn sie Moon gerettet hatten. „Wir sollten wirklich keine Zeit verlieren“, sagte er also nur kurz, dann ging er voraus. Hastig. Auf Abstand achtend. So dass sie keine Gelegenheit hatten, Fragen zu stellen.
Mit jedem ihrer Schritte wurden die Geräusche von der anderen Seite der Anhöhe lauter.
Unmittelbar vor dem Rand der Anhöhe ließen sie sich auf Hände und Knie fallen und krochen vorsichtig näher heran. Endlich konnten sie einen ersten Blick auf die Ebene am Wounded Knee werfen: Indianerzelte waren das Erste, was sie sahen.Hohe Tipis, deren Außenseiten mit hellem Büffelleder überspannt waren. Die Spitzen der langen dünnen Baumstangen, mit denen die Zelte gebaut waren, reckten sich aus den Tipis dem Himmel entgegen. Aus manchen Zeltspitzen quoll grauer Rauch hervor. Für Simon bestand kein Zweifel, dass die Familien von den Soldaten überrascht worden waren, während sie in den Tipis an ihren Feuern gesessen oder vielleicht auch geschlafen hatten.
Im Hintergrund eingezäunt standen die Pferde. Sie schnaubten und scharrten nervös mit ihren Hufen.
„Seht nur!“ Salomon zeigte mit seinem Finger auf die Soldaten, die rund um das Indianer-Lager aufgereiht standen. Unzählige Soldaten. Mit den Gewehren im Anschlag, auf das Lager zielend, hatten sie sich nebeneinander so aufgestellt, dass ihnen keine Bewegung im Lager entgehen konnte und somit eine Flucht für die Indianer unmöglich war.
Selbst mehrere Kanonen waren aufgefahren worden. Hotchkiss-Geschütze, die, von Pferden gezogen, hier in Position gebracht worden waren. Ihre Mündungen waren ebenfalls direkt auf das Lager gerichtet.
Zwischen den Tipis standen die Indianer-Familien: Männer, Frauen und auch Kinder. Sie hatten sich in Decken gehüllt, um sich gegen die Kälte zu schützen.
„Seht nur die Angst in ihren Augen!“, flüsterte Nin-Si.
Selbst auf die Entfernung war die Furcht in ihren Gesichtern und an ihren Gesten zu erkennen. Mütter nahmen schützend ihre Kinder in den Arm, Männer griffen nach ihren Gewehren oder versteckten diese in ihren Umhängen. Die ganze Aufmerksamkeit der Lakota-Familien war auf die Soldaten der Kavallerie gerichtet. Vor allem auf einen Mann, der vor einerGruppe von Soldaten stand und laut auf einige Indianer einsprach.
Simon wies auf den Soldaten. „Das muss Colonel Forsyth sein“, erklärte er seinen Freunden. „Er hat den Auftrag, die Indianer hier zu entwaffnen und sie dann weiter zu ihrem Reservat zu führen.“
Der Colonel redete auf einige Indianer ein und deutete immer wieder auf die Menschen zwischen den Tipis. Die Lakota-Männer, die ihm gegenüberstanden, protestierten und diskutierten mit wilden Gesten.
„Da ist Moon!“ Neferti zeigte erleichtert auf den Indianerjungen, der inmitten anderer stand und das Gespräch des Soldaten mit den Lakota gebannt verfolgte. Im Kreis seiner Familie wirkte er ganz anders als auf dem Deck des Seelensammlers. Stolz und wachsam stand er dort, die Muskeln angespannt, wie zum Sprung bereit. An der Seite seiner Hose baumelte ein langes Messer, das die Zeitenkrieger nicht kannten, und aus seinen schwarzen Haaren stach auffällig die weiße Feder hervor, die er sich verdient hatte, als er für seinen Stamm ganz allein einen riesigen Büffel erlegt hatte.
Simon konnte die
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