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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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fehlten, bis das Massaker begann. Wenn der Schattengreifer Moon mit sich nehmen wollte, dann hätte er schon längst erscheinen müssen.
    Simon traute sich nicht, seine Gedanken laut zu äußern: Konnte es sein, dass der Magier mit seinem Zauber schon längst in das Geschehen eingegriffen hatte? Konnte es sein, dass er bereits wusste, dass die Zeitenkrieger hier waren, um Moon zu retten? Und hatte er Moon vielleicht sogar schon aufgegeben? Das würde bedeuten, dass Moon hier sterben müsste. Hier und jetzt. In wenigen Momenten.
    In Simons Innerem brodelte es. Sie konnten doch nicht hier liegen bleiben, in ihrem Versteck, und darauf warten, dass Moon und all die anderen erschossen wurden. Niemals hätte Simon zusehen können, wie eine Kugel einen seiner besten Freunde durchbohrte.
    Nein! Bevor er Zeuge einer solchen Tat wurde, würde er lieber sein eigenes Leben riskieren. Zumindest hätte er dann versucht, Moon zu retten, und nicht tatenlos zugesehen.
    Ohne weiter darüber nachzudenken, richtete er sich auf. Doch schon im nächsten Moment riss Salomon ihn wieder auf den Boden. „Was soll das? Bist du verrückt?“
    Simon entzog sich dem Griff. „Ich halte das nicht aus. Ihr wollt doch nicht …!“
    „Das ist Wahnsinn!“, fiel ihm Salomon ins Wort. „Sie werden dich erschießen, noch bevor …“
    „Ich weiß … Ich … weiß …“ Jetzt rannen die Tränen in Strömen über Simons Gesicht. „Aber was sollen wir denn machen? Sollen wir warten, bis es zu spät ist? Ich glaube nicht, dass der Schattengreifer ihm eine zweite Chance gibt.“ Jetzt sprudelten all seine Befürchtungen nur so aus Simon heraus: „Er hat ihn aufgegeben. Mit seiner Magie hat er verhindert, dass Moon von uns gerettet werden kann. Das hier ist anders als bei Basrar oder bei dem Aborigine. Der Schattengreifer liefert Moon seinem Schicksal aus. Er lässt ihn hier verrotten. Aber ich werde ihn nicht im Stich lassen! Ich …“
    Wieder sprang er auf die Beine, und abermals hielt Salomon ihn zurück. „Du wirst nicht dort hinunterlaufen. Du …“
    „Aber wir müssen Moon warnen! Wir müssen mit ihm sprechen!“
    Salomons Griff um Simons Arm verstärkte sich. „Ich werde dich auf keinen Fall …“
    „Seht nur!“, rief Neferti plötzlich. „Dort!“
    Wie aus dem Nichts kam plötzlich die kleine Krähe angeflogen. Sie drehte eine Schleife über den Freunden in ihrem Versteck und krächzte ihnen entgegen. Auf die Jugendlichen machtesie einen geradezu glücklichen Eindruck. Nach einem weiteren gekrächzten Gruß stürzte die kleine Krähe auf die Ebene hinunter, auf das Lager der Lakota zu.
    „Wie kommt sie denn hierher?“, fragte Caspar.
    „Sie hat etwas vor“, erwiderte Neferti. „Seht nur, sie fliegt direkt auf Moon zu.“
    Simon nickte. „Ich denke, sie hat die Lage erfasst und will helfen.“ Und wieder einmal spürte er diese Art Erleichterung, die ihn bisher immer befallen hatte, wenn er wusste, dass die kleine Krähe in seiner Nähe war.
    Die Stimme des Colonels hallte wieder über die Ebene. Da war er, der Moment, vor dem sich alle gefürchtet hatten. Colonel Forsyth hatte gerade den Befehl erteilt, die Zelte zu durchsuchen. Sie standen nur noch Augenblicke vor dem verhängnisvollen Schuss, der sich aus Black Coyotes Flinte lösen würde und der den Auftakt für das Massaker gab.
    Simon suchte mit seinen Blicken rasch die kleine Krähe. Sie war von allen unbemerkt auf Moons Schulter gelandet. In dieser bedrückenden, angsterfüllten Situation kümmerten sich weder Soldaten noch Indianer um einen einzelnen Vogel.
    Moon sah überrascht auf die Krähe, und im nächsten Moment erkannte Simon, wie Moon sich mit einer Hand an die Stirn packte. Irgendetwas ging mit ihm vor.
    Doch nicht nur mit Moon. Auch in Simons Kopf tat sich etwas. Erst spürte er ein Stechen, das ihm von der Stirn durch den ganzen Körper fuhr. Doch dieses Gefühl hielt nur für einen Atemzug an. Im nächsten Atemzug wurde Simon schwarz vor Augen und dann plötzlich weiß. Ein merkwürdiges Weiß. Ein Weiß wie … wie …
    Simon verstand augenblicklich. Es war zwar unfassbar, doch er hatte es sich abgewöhnt, sich über diese Dinge zu wundern.
    Simons Augen blickten auf das Weiß eines Büffelfells an einem der Tipis in der Ebene. Ein kurzer Ruck, und er erkannte die kleine Krähe. Unmittelbar vor sich. Als wenn sie auf seiner eigenen Schulter sitzen würde.
    Simon blickte aus Moons Augen. Er war in dessen Kopf. In dessen Gedanken.
    Rasch konzentrierte er

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