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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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nickte. „Ich bin auf dem Weg nach Hause. Ihr dürft mich gern begleiten. Dann zeige ich euch, wo Salomon lebt.“
    Es tat gut, nicht mehr völlig ahnungslos durch die Stadt eilen zu müssen. Die Jugendlichen ließen sich von Adam durch dieStraßen führen, in denen sie aus den Häusern nun doch immer öfter Wehklagen vernahmen oder das murmelnde Geräusch betender Menschen. Die Pest hatte bereits eine ganze Menge Menschen befallen.
    Je tiefer sie in das Stadtinnere vordrangen, desto öfter kamen sie an Häusern vorbei, deren Fenster und Türen mit Bretten vernagelt worden waren.
    „Spuren der Pest“, erklärte Adam, als ihm Simons Blicke auffielen. „Hinter diesen Mauern hat die Krankheit mehrere Seelen mit sich genommen. Oder sie ist gerade dabei, sich ihrer zu bemächtigen. Eine schlimme Zeit.“
    Simon zwang sich, nicht mehr darauf zu achten. Er hielt es kaum aus, dieses ganze Elend, die Klagen der Erkrankten und ihrer Angehörigen. Zudem fiel es ihm immer noch schwer, sich an den unerträglichen Geruch zu gewöhnen. Doch damit war er nicht allein. Auch Neferti, Nin-Si und Moon kämpften mit sich. Einzig Caspar schien das alles nur wenig auszumachen.
    „Wir haben es jetzt bald erreicht, das jüdische Viertel“, gab Adam schließlich bekannt, nachdem sie eine Weile gegangen waren. „Nicht mehr lange, und wir haben …“
    Er stockte und hob die Hand, um die Jugendlichen zu warnen und zum Stehen zu bringen. „Leise“, zischte er. „Da vorn bewegt sich etwas!“
    Tatsächlich erkannte Simon auf den Pflastersteinen der Straße das Schimmern von Fackeln. Und im gleichen Moment vernahmen sie auch schon Stimmen. Aufgebrachte, wütende Menschen. Erst waren sie nur aus weiter Ferne zu hören, doch schnell wurden die Stimmen lauter und lauter. Auch der Schein der Fackeln auf den Pflastersteinen wurde heller und breitete sich rasend schnell aus. Wie viele Menschen sich gerade vor ihnenversammelten, das konnte Simon nicht einschätzen. Doch dem Lärm nach zu urteilen, waren es viele. Sehr viele. Und sie waren außer sich vor Wut.
    „Was ist los?“, erkundigte sich Caspar flüsternd. „Was geschieht dort?“
    Adam drehte sich kurz und mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zu ihm um – so als hätte er für einen Moment vergessen, dass die Jugendlichen hinter ihm standen. Rasch hielt er sie davon ab, um die Hausecke zu schauen. „Ich kann kaum glauben, was dort geschieht“, sagte er und blickte wieder nach vorn zu dem Schein der Fackeln. „Natürlich, es wurde darüber gesprochen. Aber dass sie sich wirklich …“
    „Was?“, hakte Simon nach. „Was wurde besprochen? Wovon genau sprecht Ihr?“
    „Heute Nachmittag … müsst ihr wissen, da gab es eine Prozession durch den Ort. Die Menschen beteten darum, dass die Pest ein Ende finden sollte. Sie flehten um Hilfe und Erbarmen. Doch hinter all den Kerzen und den frommen Gebeten gab es auch Stimmen, die sich ganz anderes erhofften. Keine Hilfe von oben.“
    Er wandte sich noch einmal zu den Jugendlichen um, heftete dann seinen Blick aber wieder auf das Geschehen am Marktplatz. Gerade so, als hoffe er, alles sei nur Einbildung gewesen.
    „Erst war es nur Gerede, dann jedoch machte es die Runde in der Prozession. Man beschuldigt die Juden, an der Pest schuld zu sein.“
    „Aber das ist doch Unsinn“, warf Neferti ein. „Die Ratten haben die Krankheit in die Stadt gebracht. Wir wissen es genau. Salomon hat es uns selbst gesagt.“
    Der Arzt nickte. „Aber es ist sehr schwierig, die eigene Wut und die Angst auf Ratten zu übertragen, und die Menschen dort vorn brauchen einen Schuldigen.“
    Simon erinnerte sich an die erste Nacht, als er die Zeitensegler auf ihrem Schiff kennengelernt hatte. Daran, was Salomon ihm gesagt hatte: „Die Menschen lenkten ihren Hass auf den, der schon seit ewigen Zeiten seinen Kopf hinhalten musste: den Juden.“
    Die Stimmen wurden immer lauter und aufgeregter. Manche Menschen brüllten bereits. Die Menge peitschte sich gegenseitig hoch. Wenige Meter vor ihnen baute sich die Judenhatz auf, von der Salomon erzählt hatte. Die Jagd, aus der ihn der Schattengreifer gerettet hatte.
    „Und heute Nachmittag …“, fuhr Adam weiter fort, „… in der Prozession, flüsterten sich einige zu, dass die Juden die Brunnen vergiftet hätten. Sie sagten, dass dies der Grund für die Pest in der Stadt sei.“
    „Die Brunnen vergiftet?“, fragte Moon. „Aber sie schöpfen doch selbst ihr Wasser aus diesen Brunnen. Dann müssten doch auch

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