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Der zerbrochene Himmel

Der zerbrochene Himmel

Titel: Der zerbrochene Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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eigenes Bild machen.
    »Erzähl mir, was vorgefallen ist.«
    »Dein Vater hatte eine anonymen Brief erhalten.«
    »Was bedeutet das?«
      »Das bedeutet, daß der Brief nicht die Unterschrift des Briefschreibers trug. Darin stand, daß deine Mutter zu Hause Padre Burruano empfängt. Da stellte Onkel Giugiù eine Falle, er sagte, er müsse nach Palermo fahren, in Wahrheit aber blieb er hier. Zu einer bestimmten Zeit, als du zum Unterricht und hinterher im Filmtheater warst, tauchte er hier auf und fand vor, was er vorfand.«
    »Sag's.«
      »Dann sag' ich's dir eben. Er fand deine Mutter nackt auf dem Sofa im Wohnzimmer vor, die mit dem Pfarrer unanständige Dinge trieb. Da wurde er wütend und schlug ihn krankenhausreif.«
    »Gab er Mamà auch Prügel?«
    »Deiner Mutter nicht. Deine Mutter versuchte, ins Schlafzimmer zu rennen, stürzte aber und tat sich weh. Sie zog sich an und lief fort, während dein Vater Padre Burruano weiter mit Schlägen und Tritten traktierte. Aus Wut schlug er das halbe Haus zusammen.« Michilino dachte über das nach, was Marietta ihm gerade erzählt hatte.
      »Also, können wir jetzt gehen, wo du alles weißt, was du wissen mußtest?«
      »Nein. Du hast gesagt, Papà hätte Mamà vorgefunden, die unanständige Dinge mit dem Pfarrer tat. Stimmt's?«
    »Ja.«
      »Aber wenn Mamà in den Pfarrer verliebt war, tat sie doch gar keine unanständigen Dinge, sondern machte Liebe. Und ich begreife, wo ich jetzt darüber nachdenke, daß sie in Padre Burruano verliebt war.«
      »Und wo bleibt da dein Vater? Deine Mutter ist mit deinem Vater verheiratet. Ihm mußte sie treu bleiben und sich nicht vom Pfarrer durchvögeln lassen!«
      »Sag nicht vögeln. Es ist ja möglich, daß sie sowohl in Papà als auch in den Pfarrer verliebt war, die Arme!«
    »Die Arme? Eine Hure war sie!«
      Michilino sah sie kalt an. Marietta hatte sich erhitzt und stank, sie stank nach einer Frau, die eine Sau war.
      »Du«, sagte Michilino, »du wirst nicht mehr mit mir sprechen. Und du wirst auch keinen Umgang mehr mit mir haben. Denn du bist ein stinkender, verkommener Mensch, deine Seele ist schwarz, schwarz wie Tinte.«
    Wachsgelb und steif stand Marietta auf, ging auf ihn zu und versetzte ihm eine schallende Backpfeife.

Acht

    Als sie fortgingen, sagte Marietta, daß sie schon vorausgehen und bei sich zu Hause auf ihn warten würde. Michilino ging alleine zu Nonno Filippo und Nonna Agatina, um den Kniestrumpf in der Küche anzubringen, der am nächsten Morgen voll mit Süßigkeiten sein würde, mit Schokoladenmünzen, Sandplätzchen, süßen Brezeln und ein paar Stückchen Kohle, um für die Male zu büßen, die er ungehorsam war. Dann ging er zum Haus von Onkel Stefano und Tante Ciccina. Marietta war nicht zu sehen, vielleicht war sie in ihrem Zimmer. Er hängte den zweiten Kniestrumpf in die Küche und sagte dann, sie müßten nach Hause zurückkehren.
      »Aber woher!« sagte Onkel Stefano. »Du und meine Tochter eßt und schlaft hier, schließlich kommt Giugiù erst morgen wieder, das hat mir Marietta gesagt. Morgen früh siehst du, was dir die Befana gebracht hat, dann gehst du bei Nonno Filippo vorbei, und danach kehrst du nach Hause zurück, wo du ganz sicher Giugiù vorfinden wirst.«
      Zur Essenszeit präsentierte sich Marietta mit langem Gesicht und mürrisch. Sie sagte nichts zu Michilino, der wiederum nichts zu ihr sagte. Onkel Stefano bemerkte das.
    »Habt ihr euch gezankt?« fragte er lächelnd.
    Eine Antwort bekam er nicht.
    »Los, macht schon, vertragt euch wieder«, beharrte er.
      »Wir vertragen uns wieder, wenn die Zeit gekommen ist«, sagte Marietta finster.
      »Und wann ist die Zeit gekommen?« fragte Michilino herausfordernd.
    »Wenn sie gekommen ist, wirst du's schon merken.«
    »Und wenn ich's nicht merke?«
    »Ich werde schon dafür sorgen, daß du's merkst.«
      »Dann ist die Sache also ernst«, rief Onkel Stefano und tat so, als wäre er furchtbar beängstigt.
    Aber er kam nicht mehr darauf zu sprechen.
      Als die Stunde gekommen war, schlafen zu gehen, zogen sie sich still aus und sahen sich nicht an.
      Michilino stieg als erster ins Bett und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand. Sie wünschten sich nicht einmal eine gute Nacht. Michilino verbrachte dann auch keine gute Nacht, er war gezwungen, steif wie ein Brett zu liegen, um seine Cousine nur ja nicht zu berühren. Und nicht nur deswegen, sondern auch, weil Mariettas Haut in der Wärme des

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