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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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den Tresor, an dem keine Beschädigung zu erkennen war. Jemand hatte ihn geöffnet, obwohl nur er und Prof. Hillairet die Zahlenkombination des Schlosses kannten.
    Das dachte er zumindest bis heute. Doch anscheinend kannte noch jemand den Code. Und Delvaux ahnte, wer.

43
    Eliadis sah durchs Fenster Delvaux auf seine Hütte zusteuern. Ohne Eile griff er nach einem Mikrofasertuch, setzte sich in den einzigen Sessel der Hütte, nahm das Messer samt Geschirr vom rechten Bein und legte es neben sich auf einen kleinen Holztisch. Sorgsam begann er sein Messer von Dreck und Staub zu säubern, als Delvaux mit einem energischen Schwung die Tür öffnete. Mit wenigen Schritten war er bei Eliadis, beugte sich über den Tisch zwischen ihnen und sah ihm direkt in die Augen.
    »Wo ist sie?«
    Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
    »Wo ist was?«, fragte Eliadis seelenruhig und strich sanft mit dem Tuch über das Messer.
    »Du weißt, was ich meine.«
    »Nein, weiß ich nicht.«
    »Während ich im Krankenhaus war, wurde im Lager eingebrochen, und die Kylix vom neuen Brunnenbecken ist verschwunden.«
    »Ach ja?« Eliadis verzog keine Miene und putzte weiter sein Messer. »Wie konnte das nur passieren? Du hütest sie doch wie deinen Augapfel und schließt sie abends immer im Tresor ein, oder nicht?«
    Er pustete einmal über den blanken Stahl, um einige Staubkörnchen zu entfernen, die auf seine Hose hinunterrieselten und von ihm mit einer schnellen Wischbewegung auf den Boden befördert wurden. Dreck gehörte zu Dreck.
    »Natürlich tue ich das!«, erwiderte Delvaux wütend.
    »Und warum kommst du dann zu mir? Den Zahlencode des Tresors kennen doch nur du und Prof. Hillairet.«
    Delvaux’ Augen funkelten gefährlich. »Ich weiß, dass du ihn auch kennst. Du warst letzte Woche dabei, als Prof. Hillairet den Tresor öffnete. Du hast dir die Zahlenkombination gemerkt, ganz sicher. Und dabei hat Prof. Hillairet dir immer blind vertraut.«
    Eliadis strich über das kalte Stahl seines Messers.
    »Warum hast du dann nicht die Polizei gerufen, wenn du meinst, dass ich die Trinkschale gestohlen habe?«
    »Weil ich nicht will, dass die Polizei hier rumschnüffelt, unsere Arbeit aufhält und unangenehme Fragen stellt. Außerdem denke ich, dass du sie irgendwo oben in den Höhlen versteckt hast, wo sie niemand finden würde. Ich dachte, wir könnten das unter uns regeln.«
    »Möglich. Vorausgesetzt, ich weiß, wer die Kylix gestohlen hat.« Er pustete über die blanke Klinge. »Was kriege ich dafür, dass ich sie dir wiederbringe?«
    »Was verlangst du?«
    »Ich will, dass du Karen in Ruhe lässt.«
    Delvaux schnaubte verächtlich. »Eine Frau? Du vergleichst den Wert dieser Kylix mit einer Frau? Lächerlich. Du glaubst doch nicht wirklich, dass du Karen für dich gewinnen kannst. Bleib lieber bei Selena. Karen ist für dich eine Nummer zu groß.«
    Eliadis’ Finger verkrampften sich um den Griff des Messers, während Delvaux’ Worte ihn in einer alten Wunde trafen. Er legte das Messer gut sichtbar auf seinen rechten Oberschenkel.
    »Geh jetzt, Simon.«
    »Bevor was? Mach dich nicht lächerlich. Du jagst mir mit deinem Messer keine Angst ein.«
    »Das ist dein Fehler.« Eliadis liebkoste mit seiner rechten Hand den schmalen Kunststoffgriff des Messers. »Ich werde sehen, ob ich die Kylix wiederbeschaffen kann. Bis dahin sollte die Polizei nicht eingeschaltet werden.«
    Delvaux genoss einen stillen Triumph. »Sehr schön. Ich dachte mir schon, dass wir uns einig werden. Prof. Hillairet wird es einige Tage lang nicht bemerken, da er zu sehr mit dem Brunnenbecken beschäftigt ist, aber wenn die Kylix bis Ende der Woche nicht wieder da ist, kann ich für nichts mehr garantieren. Du hast also nicht viel Zeit.«
    »Lass das meine Sorge sein. Und du hältst dich inzwischen von Karen fern.«
    »Nein, so läuft das nicht. Erst die Kylix, dann dein Vergnügen. Au revoir.« Delvaux schlug mit der Faust auf den Tisch und verschwand dann ohne ein weiteres Wort durch die Tür.
    Eliadis warf ihm wütend sein Messer hinterher, dass sich geräuschvoll in das alte Holz neben der Tür bohrte. Danach griff er in seine Hosentasche und holte eine alte dreieckige Tonscherbe hervor, die zur Kylix gehörte.
    »Nein, Simon, du wirst die Kylix nie wieder bekommen. Nie wieder.«

44
    Am Nachmittag hätte Eliadis eigentlich im Museum arbeiten müssen, aber er nahm sich diesen Tag frei, um Delvaux nicht über den Weg zu laufen. Er wollte sich

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