Der Zirkel Des Daemons
leichten Schritten und kniete vor ihm nieder.
»Unschuldig?«, wiederholte sie und ihr Lächeln sah erfrorener und beängstigender aus als je zuvor.
Sie knöpfte ihre Bluse auf und enthüllte einen Fleck gespenstisch weißer Haut über ihrem Herzen, und dort, schwarz auf weiß, prangte das Zeichen des Zirkels des Obsidian. Es erinnerte Nick an das Schild über einer der Kneipen in Salisbury, die Frau in der Hand eines Riesen. Dort wo unter der Haut ihr Herz schlug, prangte eine Hand, die keine Frau, sondern die Welt umklammert hielt. In den Fingern der Hand lag eine deutliche Anspannung, als ob sie die Welt gerade gepackt hätten und im nächsten Moment zerquetschen wollten.
Seine Mutter streckte die Hand aus und zog Geralds T-Shirt nach unten, sodass der Stoff zum Zerreißen gedehnt wurde. Und über seinem Herzen war deutlich die gleiche Hand zu sehen, die Hand, die die Welt gepackt hielt.
»Niemand, der dieses Zeichen trägt, ist unschuldig«, flüsterte Nicks Mutter.
Gerald, dem immer noch das Blut übers Gesicht lief,
sackte leicht auf seinem Stuhl zusammen. »Du wirst mir nicht helfen, stimmt’s?«
»Nein«, sagte Lady Livia. »Ich schulde dir nichts. Wie geht es Arthur?«
»Ich glaube nicht, dass er sich verändert hat«, antwortete Gerald. »Er spricht oft von dir. Er wollte dich nie verletzen. Er hat dich auserwählt …«
Nicks Mutter lachte und sprang auf die Füße, als ob sie ein junges Mädchen wäre. » Ich habe ihn auserwählt. Das ist das Problem, wenn du jemanden haben willst, der für dich die Welt verändert. Erwählt man einen Mann mit einer solchen Macht, dann gibt es bald nur eins, was er haben will: noch mehr Macht.« Sie drehte sich um und ging zu Mae, stellte sich so nah neben sie, dass sie ihr den Arm um die Taille hätte schlingen können. »Es ist wahrscheinlich am besten, wenn man die Welt selbst verändert«, ergänzte sie.
Es war merkwürdig, seine Mutter so dicht bei Mae zu sehen, als ob sie eine normale Frau wäre und sich zu einer Person gesellt hätte, die sie mochte. Aber Nick hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Alan würde gleich zurück sein. Er klappte sein Messer wieder auf und warf Gerald einen bedeutungsschweren Blick zu.
»Was willst du sonst noch wissen?«, fragte Gerald niedergeschlagen.
»Wann wird der Zirkel in London eintreffen?«, wollte Nick wissen.
Wieder zögerte Gerald.
Nick kam auf ihn zu, so unaufhaltsam wie die Flut. Er
beugte sich vor und umklammerte mit der freien Hand den Hals des Magiers.
»Ich habe in letzter Zeit oft über meine Gefühle gesprochen«, sagte er in beiläufigem Ton. »Zum Beispiel dass ich keine Angst habe. Interessiert es dich, was ich sonst noch nicht fühle?«
Geralds Stimme drang nur als Flüstern durch den Schraubstockgriff an seiner Kehle. »Was?«
Nick fuhr mit dem Messer über den Stoff von Geralds T-Shirt, bis die Klinge an dem Bauch des Mannes zum Stillstand kam. Gerald zitterte und schloss die Augen.
Nick beugte sich noch tiefer hinab, lachte Gerald ins Ohr und murmelte: »Mitleid.«
»Nick!«, rief Alan, der plötzlich in der Tür stand. »Was tust du da ? «
»Ich nehme dir die Arbeit ab«, antwortete Nick und schaute dann zur Tür.
»Lass ihn los!«
Nick löste seinen Griff von Geralds Kehle und steckte gleichzeitig das Taschenmesser ein. Dann wandte er sich von dem Magier ab und ging auf seinen Bruder zu. Alan zuckte zusammen und Nick blieb stehen.
»Was machst du für ein Theater?«, fragte Nick. Er war sich nicht sicher, mit welchen Worten er Alan besänftigen konnte und welche ihn noch mehr aufregen würden. »Ich … ich weiß nicht, was ich falsch gemacht habe. Dir bereitet es Unbehagen, mir macht es nichts aus. Ich dachte, du wärst … du wärst froh, wenn ich es tun würde.«
Alan schloss die Augen und schluckte, und etwas in
seinem Gesicht erinnerte Nick an Geralds Blick, als dieser geglaubt hatte, jeden Moment das Messer im Fleisch zu spüren.
»Es sollte dir etwas ausmachen«, sagte Alan leise.
Plötzlich war Nick richtig sauer. Er hatte die ganze Sache einfach nur satt. Er wollte diesen Kerl umbringen, nicht mit ihm plaudern. Er wollte, dass Alan aufhörte, ihm vorzuschreiben, was er tun sollte, und er wollte, dass er ihm stattdessen die Wahrheit sagte. Es kam ihm so vor, als ob ihm sein ganzes Leben aus den Händen glitt, und alles, was übrig blieb, waren Lügen und Regeln, die er nicht verstand.
Er wollte seinen Bruder nicht anschauen. Er konnte genauso gut gehen.
»Schön. Mach,
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