Der zögernde Schwertkämpfer
diese wunderbaren Techniken, doch ich mache so gut wie keine Fortschritte, jedenfalls seit jenem ersten Tag nicht mehr.« Er schleuderte sein Handtuch wütend zu Boden.
Wallie lachte. »Natürlich machst du Fortschritte! Ich stelle immer höhere Anforderungen an dich.«
»Oh!« Nnanji machte ein überraschtes Gesicht. »Tut Ihr das?«
»Das tue ich. Laß uns in den Übungshof hinausgehen.«
Sie standen nebeneinander auf der kleinen Empore und beobachteten das Treiben. Um diese Tageszeiten waren nur ein halbes Dutzend Paare beim Fechten, manche unter Aufsicht und manche nur zur eigenen Übung. Nnanji sah eine Weile zu, dann wandte er sich mit einem erstaunten Grinsen an seinen Mentor.
»Wie langsam sie sind!« sagte er. »Wie durchschaubar!«
Wallie nickte. »Du kannst nicht erwarten, daß du jeden Tag vom Blitz der Erkenntnis getroffen wirst«, sagte er. »Das muß sich allmählich entwickeln. Aber du bist schon hundertmal besser als du warst.«
»Seht Euch bloß diesen Klumpfuß da drüben an!« murmelte Nnanji verächtlich.
Dann hörte eins der Paare mit den Übungen auf. Die beiden Männer zogen sich die Masken ab, und hervor kamen Gorramini und Ghaniri. Nnanji zischte, wobei seine Augen entzückt funkelten: »Die könnte ich allemal schlagen, mein Gebieter!«
»Möglicherweise«, sagte Wallie, der ihm im stillen recht gab. »Laß uns jedoch noch ein paar Tage damit warten.«
Jeden Morgen besuchte er Honakura in seinem kleinen Innenhof und erfuhr mehr über diese Welt. Er fragte ihn auch über Shonsu aus und war bekümmert, als er merkte, wie wenig der Priester über diesen wußte. Er war von weither gekommen, doch das bedeutete nicht unbedingt, daß er eine lange Reise gemacht hatte. Die Hand der Göttin hatte ihn bestimmt hierhergebracht, lautete Honakuras beharrlich vorgebrachte Auffassung, und auf die gleiche Weise konnte Wallie überallhin verfrachtet werden, ganz nach Ihrem Belieben. Er brauchte also nur ein Schiff in Hann zu besteigen, und schon würde er im nächsten Hafen seine Bestimmung finden – oder seinen geheimnisvollen Bruder.
»Eins solltet Ihr wissen, mein Lord«, sagte der schmächtige Mann. Er fuhr zögernd fort. »Offenbar hatte die Göttin den Dämon geschickt, da unser Exorzismus versagte.«
Für Wallie war das ein verwirrendes Thema, da er ja selbst der fragliche Dämon war, und es erinnerte ihn immer wieder an die Andeutungen des Halbgottes, daß jemand eine schlechte Vorgabe geleistet habe. »Na und?« fragte er.
»Der frühere Bewohner Eures Körpers …«, sagte Honakura. »Also, ich meine … der originale Lord Shonsu … er glaubte, daß der Dämon von Magiern geschickt worden sei.«
»Magier!« rief Wallie mißbilligend aus. »Ich wußte gar nicht, daß es in dieser Welt Magier gibt.«
»Ich auch nicht«, antwortete der Priester überraschenderweise. »Alte Legenden handeln von ihnen, aber ich habe noch nie gehört, daß ein Pilger sie erwähnt hätte. Angeblich arbeiteten sie früher einmal mit den Priestern Hand in Hand.«
Wallie fand keinen Gefallen an der Vorstellung von Magiern. Was konnte ein Schwertkämpfer gegen Magier ausrichten? Doch eine Welt voller Götter und Wunder war vermutlich auch eine Welt der Magier.
»Das reimt sich zusammen«, murmelte er mehr zu sich selbst. »Wo es Schwertkämpfer gibt, gibt es bestimmt auch Magier, nicht wahr?«
»Ich kann da keinen Zusammenhang erkennen.« Honakura schniefte. »Aber ich kann Euch einen guten Rat im Hinblick auf sie geben. Angeblich beteten sie den Feuergott an. Ihre Gesichtsmale waren Federn.«
Warum Federn? Niemand wußte es, und Wallie stellte fest, daß auch ansonsten niemand viel über Magier wußte. Nnanji machte nur ein finsteres Gesicht und maulte, daß ein Kampf gegen Magier nichts Ehrenhaftes sei. Nnanjis Ideale zielten mehr in Richtung heldenhafter von-Mann-zu-Mann-Gefechte und kämpferischer Großtaten. Er träumte wahrscheinlich von seinem Lieblingsepos: Wie Nnanji Goliath besiegte.
Eines Tages beförderte ein Nachwuchspriester, den Honakura mit Bedacht ausgewählt hatte, eine Botschaft zu Nnanjis Bruder. Am nächsten Morgen kniete der Junge inmitten der Pilger in den Bogengängen des Tempels. Ein Jugendlicher, der kein Handwerk erlernte, war für die Priester von geringem Interesse, doch diesem wurde nach einer gewissen Zeit Beachtung geschenkt, und jemand geleitete ihn zum Gebet ins Tempelinnere … und dann ungesehen zu einem Hinterausgang wieder hinaus. Jetzt saß er mit eben jenem Herrn
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