Der zögernde Schwertkämpfer
Trasingji der Fünften Stufe, der sein engster Vertrauter zu sein schien – ein großer, grobschlächtiger Mensch mit dunkler Hautfarbe. Er hatte überraschend weiße Augenbrauen und eine Halbglatze, so daß er nur einen sehr dürftigen Pferdeschwanz zusammenbrachte.
Tarru machte einen außerordentlich selbstzufriedenen Eindruck und ließ sich beglückwünschen. Natürlich war es nur eine vorübergehende Berufung, bis ein Siebentstufler gefunden wurde … und es unbeschadet bis hierher schaffte, dachte Wallie.
Er trödelte mit seinem Essen herum, wartete auf Nnanji und lauerte auf eine Gelegenheit, mit Tarru unter vier Augen sprechen zu können, doch das erwies sich schließlich als unnötig. Tarru war soeben mit der überschwenglichen Versicherung fertig, daß er und sein Vasall jederzeit und solang sie es wünschten als Gäste in den Unterkünften der Wache willkommen seien, als er sich plötzlich über den Tisch beugte. Er streckte Wallie die Faust hin und ließ den Edelstein in dessen Hand fallen. Zumindest fühlte er sich so an, als sei es derselbe, doch Wallie schob ihn zunächst in seine linke Tasche, damit er ihn später untersuchen und sich vergewissern konnte, daß er nicht geschrumpft war.
»Habt Ihr noch irgendwelche Bedürfnisse, mein Lord?« erkundigte sich der amtierende Oberste Anführer ziemlich mißmutig. »Irgendeine Gefälligkeit, die wir Euch noch erweisen können, um Euren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen?«
Es wäre Zeit für die Abrechnung gewesen … doch Tarru hatte bewußt dieses öffentliche Forum gewählt, damit er Wallie nicht wegen Nnanjis Ehrlichkeit zu beglückwünschen brauchte.
»Eine Sache wäre da noch«, sagte Wallie. Langsam machte ihm dieses Spiel Spaß. Er blickte sich in der Runde der offensichtlich verdutzten Fünftstufler um. »Wie Ihr alle wißt, habe ich vor kurzem einige Nächte als Gast der Wache in einer weniger angenehmen Unterkunft verbracht.«
Ihre Mienen drückten Unbehagen aus. Solche Dinge wurden unter Gentlemen nicht offen ausgesprochen.
»Die Gefangenen werden mit beiden Fußknöcheln festgeklemmt«, fuhr Wallie fort. »Nach einigen Stunden wird das außerordentlich schmerzhaft. Wurde diese Marter neuerdings eingeführt, oder war sie immer schon Brauch?«
Alles hatte Tarru erwartet, doch nicht die Erörterung der Verhältnisse im Gefängnis. »Das war schon immer Brauch, soweit ich weiß«, sagte er mit starr geradeaus gerichtetem Blick.
»Wenn Ihr ihn also ändert, dann wird sehr wahrscheinlich in Zukunft in der neuen Weise verfahren? Bei manchen Gefangenen stellt sich später ihre Unschuld heraus. Wenn Ihr nur einen Knöchel festklemmt, dann hätten sie viel mehr Bewegungsfreiheit. Verlangt die Göttin eine solche Quälerei? Ist sie gerecht?«
Die Schwertkämpfer sahen einander erstaunt an. Ein sonderbarer Einfall, wirklich – wen interessierte das schon?
»Ein starker Mann könnte den Steinquader dann anheben, wenn er ihn richtig zu fassen bekommt«, gab Tarru stirnrunzelnd zu bedenken.
»Das bezweifle ich«, sagte Wallie. »Es sind zwei aufrechtstehende Sklaven vonnöten, um ihn nur an einer Seite hochzuheben. Hättet Ihr Lust, mit mir hinüberzugehen, damit ich es versuche? Wenn ich es nicht kann, dann kann es kaum einer. Es handelt sich um sehr glatte, glitschige Steine.«
Tarru schien sich zu einem Entschluß durchgerungen zu haben. »Ihr habt sehr aufmerksam beobachtet, mein Lord! Dieser Angelegenheit wird meine erste Amtshandlung gelten – und wenn ich schon mal dabei bin, werde ich gleich ein neues Dach für das Gefängnis in Auftrag geben. Das jetzige gereicht der Göttin gewiß nicht zu Ehren.«
Das war ein überraschend großzügiges Kleinbeigeben! Mit einemmal wurde Wallie klar, daß Tarrus verlorener Wetteinsatz Tarru selbst keinen roten Heller kosten würde.
Tarrus Augen schweiften immer noch beständig über Wallies Schwert.
Nach und nach beendeten die anderen ihre Mahlzeit und verließen mit irgendeiner Entschuldigung den Raum, bis nur noch Trasingji und Tarru übrig waren. Dann kam Nnanji herein und machte einen Umweg rund um den Tisch, um sicherzustellen, daß Wallie ihn sah und wußte, daß er wieder da war – oder vielleicht, damit ihn die anderen unbedingt wahrnehmen mußten. Sein Kilt bestand jetzt aus leuchtendgelbem Leinen, mit Falten, die so scharf waren wie sein Schwert. Seine Stiefel waren aus buttergelbem Wildleder, sein Harnisch war glänzend und schmuckvoll geprägt. Eine silberne Haarspange
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