Der Zorn Des Skorpions
du mich allein bei einem besoffenen alten Mann zurückließest, der an Aliens glaubte. Und ich musste das Mitleid und die Verachtung der Gemeinde ertragen.
Ich habe die Leute all die Jahre hinter meinem Rücken tuscheln gehört. Wie sie miteinander flüsterten. Über den alten Bock und seinen bemitleidenswerten Jungen lachten. Mein Rücken schmerzt jetzt noch, wenn ich an dich denke, Mutter.
Ich wache auf wie aus einem Traum. Ich habe zu viel Zeit mit Gedanken an die Vergangenheit verbracht, während ich Regan verfolge. Gefangen in meinen Erinnerungen, bin ich instinktiv weitergelaufen, ihr gefolgt, habe sie jedoch nicht eingeholt.
Schluss jetzt! Jetzt konzentriere ich mich. Laufe schneller. Fühle mein Herz klopfen und die Seilrolle bei jedem Schritt wippen. Nicht eine Sekunde löse ich meinen Griff um das Heft des Messers, während ich den Abstand zu Regan verringere, schneller laufe, zwischen den Zähnen die kalte Luft einsauge, den Blick wie immer auf meine Beute gerichtet, auf Regans athletische Rückansicht. Sie ist sexy auf sehr robuste, düster feminine Art.
Doch jetzt wird sie merklich langsamer. Quält sich ab. Diese langen, athletischen Beine strengen sich an.
Das hier, stelle ich mit einem Gefühl tiefer Zufriedenheit fest, wird einfach.
Sarah Norman war bereits tot. Ihre Haut war bläulich, die Striemen auf ihrer Haut zeugten von ihrem Kampf gegen das Seil, das sie an die hohe, einsam stehende Tanne fesselte. Über ihrem Kopf befand sich ein Stern, in die Baumrinde geritzt, dazu war ein Zettel mit einer Botschaft an den Stamm genagelt. Alvarez las sie, während ein Windstoß das Blatt in ihrer Hand flattern ließ und die steifgefrorenen Haarsträhnen des toten Mädchens anhob. Wie vorauszusehen, war diese Botschaft identisch mit einer von denen, die Manny Douglas erhalten hatte.
»Gott steh uns bei«, sagte Alvarez. Im Stillen, tief innerlich kochte sie vor Wut. Instinktiv schlug sie das Kreuzzeichen über der Brust, eine spontane Reaktion aus ihrer Kindheit. Als ihr Handeln ihr bewusst wurde, genierte sie sich, und in der rauhen Kälte lief ihr Gesicht noch röter an. Was sollte das denn?
Es ist Weihnachten, und du hast schreckliche Angst.
Sie räusperte sich und betrachtete das tote Mädchen, eine junge Frau, die Ärztin hatte werden wollen, deren Lebensaufgabe es sein sollte, Menschen zu heilen. »Das bedeutet, dass Elyssa O’Leary ebenfalls tot ist«, sagte Alvarez und hörte selbst den Fatalismus in ihrem Tonfall.
»Das wissen wir nicht.« Graysons Gesicht wirkte gefasst, aber angespannt; er schüttelte langsam den Kopf, als wollte er abstreiten, was doch auf der Hand lag.
Und Pescoli, was ist mit ihr?
Alvarez dachte unaufhörlich an ihre Partnerin. Wo war sie? In welchem Zustand? O Gott. Sie musste sich zurückhalten, um nicht wieder das Kreuzzeichen zu schlagen. Dieser Fall ging ihr an die Nieren, höhlte sie aus.
Die Kriminaltechniker waren schon unterwegs, die Deputys riegelten den Tatort ab. »Ich habe genug gesehen«, sagte Alvarez und wandte sich ab. Sie spürte förmlich die Sandkörnchen durch das Stundenglas rinnen. Für Sarah Norman konnten sie nichts mehr tun, aber vielleicht war Elyssa O’Leary noch zu retten.
Wem willst du das einreden? Du hast gerade selbst gesagt, dass sie tot ist. Du weißt es doch!
Aber Regan Pescoli. Sie lebte noch. Oh, wie sie das hoffte. Sie mussten sie finden.
»Billy Hicks hat das getan«, sagte Alvarez. Sie wusste es tief in ihrem Herzen, und die Eile trieb sie an. Hicks beschleunigte sein Vorgehen. Wenn er nun einen weiteren Mord beschlossen hatte? Was sollte ihn daran hindern?
»Wir fahren zu seinem Blockhaus«, sagte Grayson.
Das Wetter hatte sich so weit beruhigt, dass die Hubschrauber aufsteigen konnten, und Grayson hatte die Piloten angewiesen, das Gebiet um die alte Silbermine der Kress’ abzusuchen. Doch das reichte Alvarez nicht.
»Wir benötigen Beweise«, erinnerte Grayson sie auf dem Weg zu ihrem Jeep. »Etwas, was Billy mit den Verbrechen in Verbindung bringt.«
»Wir werden etwas finden.« Sie öffnete bereits die Fahrertür. »Los, fahren wir zu seiner Wohnung.«
»Und zwar schnell«, verlangte Grayson finster.
Nur nicht aufgeben!
Regan rang keuchend nach Luft, in ihrem Kopf überschlugen sich Gedanken auf der Suche nach dem rettenden Ausweg. Hicks kam ihr immer näher; viel Zeit blieb ihr nicht.
Es hatte aufgehört zu schneien, und die Sicht war einigermaßen frei, wenngleich die Sonne in der verschneiten
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