Der Zorn Gottes
so spät noch gestört hatte.
Gleichzeitig kam Adam Clifford; seine Reitstiefel waren schlammverkrustet,
die Sporen saßen noch daran und klirrten und klingelten. Der Arzt
kauerte sich vor den Leichnam; Gaunt winkte Clifford beiseite und
tuschelte mit ihm. Athelstan beobachtete Cliffords Gesicht und wußte,
daß er nicht nur in bezug auf Fitzroy recht hatte. Dieser zweite
Mord war offensichtlich ein schwerer Schlag für Gaunts politische Träume;
daran ließen Überraschung und Zorn im Blick des Regenten keinen
Zweifel.
Clifford stellte dem Regenten
eine Frage, und Gaunt schüttelte heftig den Kopf. Clifford drängte
sich durch die Gruppe der Gildemeister. Ohne ein höfliches Wort
befahl er dem Arzt knapp, beiseite zu treten, und durchsuchte die Tasche
des Toten, ohne auf die Protestrufe der anderen zu achten. Endlich hatte
er gefunden, was er suchte; triumphierend strahlte er Gaunt an und hielt
einen Schlüssel in den Händen.
»Wir haben ihn, Mylord!«
»Gut!« Der Regent
seufzte erleichtert. »Behaltet ihn einstweilen.« Er drehte
sich um. »Master Medicus, könnt Ihr die Todesursache benennen?«
»Oh ja.« De
Troyes erhob sich und wischte sich die Hände am Mantel ab. »Oh
ja«, wiederholte er sarkastisch. »Also, erstens: Sir Thomas
ist tot. Zweitens: Die Todesursache ist Mord. Und das bedeutet drittens,
daß man ihm vermutlich weißes Arsen in sein Essen getan hat.«
»Unmöglich!«
rief Goodman, und seine vorquellenden Augen funkelten den Arzt an. »Woher
wollt Ihr wissen, daß er nicht etwas gegessen oder getrunken hat,
bevor er herkam?«
»Aber, aber!« Der
Arzt hob die schmale Hand. »Ich bin hier nur der Arzt, nicht der
Giftmörder.« De Troyes wandte sich ab und zog es vor, Goodman
zu ignorieren. Er lächelte und verbeugte sich vor Sir John und
Athelstan. »Mylord Coroner, Bruder Athelstan, so treffen wir uns
also wieder?« Genüßlich nahm der Arzt Goodmans Wut zur
Kenntnis. »Ihr seid der Coroner der Stadt, Sir John. Ich wurde
hergebeten, damit ich die Todesursache feststelle, und das habe ich getan.
Darf ich jetzt auch eine Frage stellen? Wie lange hattet Ihr gespeist, als
Fitzroy zusammenbrach?«
»Ungefähr drei
Stunden«, antwortete Cranston. »Warum?«
»Nun, weißes
Arsen braucht ungefähr eine Stunde, ehe es die Säfte angreift.
Der Patient verspürt eventuell ein wenig Unbehagen, tut es aber
wahrscheinlich als Blähung ab oder glaubt, etwas liege ihm schwer im
Magen. Bald danach tritt der Tod ein.«
»Nun, beklagt hat er
sich wohl«, meldete Sir James Denny sich zu Wort. »Er sagte,
ihm sei nicht ganz wohl, aber bekanntlich liebte Fitzroy die Tafelfreuden
und fraß wie ein Schwein.«
»Sir John«, fuhr
der Arzt fort, ohne auf den Gildemeister zu achten, »Ihr habt mein
Urteil: Fitzroy wurde hier vergiftet. Benötigt Ihr nun noch weiter
meine Hilfe?«
»Jawohl, die brauchen
wir.« Der junge König hatte mit seinem Tutor Sir Nicholas
Hussey gesprochen; jetzt klopfte er leicht mit der Stiefelspitze auf den
Fußboden, bis alle aufmerksam geworden waren. Richard hatte eine
überraschend kräftige Stimme. »Bestimmte Fragen sind also
geklärt, nicht wahr, liebster Onkel?« Er lächelte Gaunt
ins mürrische Gesicht. »Erstens: Sir Thomas Fitzroy ist
vergiftet worden. Zweitens: Das Gift ist hier verabreicht worden. Aber -
drittens -Sir Thomas Fitzroy hat das gleiche gegessen und getrunken wie
wir.«
Gaunt verneigte sich. »Euer
Gnaden, teurer Neffe, Ihr seid wie immer äußerst hellsichtig.
Ein kluger Kopf auf so jungen Schultern. Was ratet Ihr als nächstes?«
»Mylord Coroner soll
seine Aufgabe zu Ende führen.«
Cranston verbeugte sich, ging
zu Fitzroys Tisch und zog das Mundtuch weg. Er winkte den Arzt heran, und
zusammen mit ihm und Bruder Athelstan untersuchte er sorgfaltig die
Speisereste, den Weinbecher sowie Fitzroys Serviette und Messer. Die
anderen schauten zu, scharrten unruhig mit den Füßen und
redeten miteinander. De Troyes hörte sich trotz seiner Umständlichkeit
aufmerksam alles an, was Athelstan zu sagen hatte, während sie alles
auf dem Tisch beschnupperten, berührten und Proben davon kosteten.
»Nichts«, befand
de Troyes schließlich. »Mylord Coroner, ich schlage vor, daß
die Überreste all dieser Speisen mir überlassen werden. Es gibt
Möglichkeiten, dergleichen zu prüfen - vielleicht, indem man es
als Rattenköder auslegt. Aber
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