Der Zorn Gottes
armen Leif einen Baum
hinaufgejagt haben. Der dumme Trottel wollte stundenlang nicht wieder
herunterkommen.«
Sein Gesicht wurde ernst.
»Gaunt und die Gildeherren haben mich heute morgen zum Bericht
befohlen. Sie haben mich daran erinnert, daß ich nur zehn Tage Zeit
habe, um das Gold zu finden und den Mörder zu fangen.«
»Bestehen sie darauf?«
»Ja. Lord Clifford soll
ebenfalls herausfinden, was er kann.«
»Sonst…?«
fragte Athelstan neugierig.
»Was meinst du damit, Mönch?«
»Ich meine, was
passiert, wenn die zehn Tage um sind?«
»Gaunt verliert seine
Verbündeten, sein Gold und seine Macht.«
Cranston blieb stehen und
betrachtete den Taufbrunnen. Er studierte die Steinmetzarbeiten, die den
Rand schmückten. Johannes der Täufer stand bis zu den Hüften
in einem Jordan, der den Coroner eher an die Themse erinnerte als an einen
Fluß in Palästina. »Diese Gildeherren… Lady, ich
bitte um Vergebung« - und er neigte auch den Kopf in Richtung
Tabernakel -, »aber sie sind mordgierige Gauner! Wadenbeißer,
Bauernfanger, Hunde mit steinernen Herzen und Eselsköpfen!« Er
atmete aus. »Wie große Aspikklumpen saßen sie da: der
glubschäugige Goodman, der glatzköpfige Marshall, der Stutzer
Denny und Sudbury mit einem Gesicht, das ein Schwein in Verzweiflung stürzen
würde. Was mich wütend macht, Mönch …«
»Ordensbruder, Sir
John!«
»Wie gesagt, Mönch:
Was mich wütend macht, ist die Tatsache, daß einer dieser
Mistkerle ein Mörder ist, vielleicht sogar mehrere. Ich weiß
es. Es muß so sein!«
Cranston hätte seine
Litanei von Flüchen fortgesetzt, aber Athelstan führte ihn
hinaus auf die sonnenüberflutete Treppe von St. Erconwald. Er schloß
die Kirchentür und auch seine Haustür, packte seine Satteltasche
und den Beutel mit seinem Schreibzeug und ging in den Stall, um Philomel
zu holen. Cranston nahm noch zwei tiefe Züge aus seinem Weinschlauch,
vergaß die »pockenkranken Gildemeister« und wandte sich
wieder seinen ewigen Späßen mit Benedicta zu.
Endlich gelang es Athelstan,
den widerstrebenden Philomel zu satteln. Er hängte seine Tasche ans
Sattelhorn und stieg vorsichtig auf.
Sir John holte sein eigenes
Pferd, das auf dem Friedhof graste, und schwang sich mit solcher Wucht in
den Sattel, daß Athelstan schmerzlich zusammenfuhr. Kein Wunder,
dachte er, daß Crim den Coroner nur den »Pferdezermalmer«
nannte. Athelstan trieb Philomel an; er war nicht der beste Reiter und wäre
beinahe gegen Sir John geprallt. Der Ordensbruder funkelte die grinsende
Benedicta wütend an und warf ihr die Schlüssel zur Kirche und
seinem Haus zu.
»Wirst du alles im Auge
behalten, Lady?«
Benedicta biß sich auf
die Lippe, um nicht zu lachen, und nickte.
»Und zur Vesper kommst
du wieder her?«
Wieder nickte sie.
Philomel setzte sich in Gang;
gefolgt von Cranston warf Athelstan Benedicta eine Kußhand zu. Dann
verließen beide den Kirchhof und ritten zur London Bridge hinunter.
»Was gibt's denn zur
Vesper?« fragte Cranston unvermittelt.
»Da treffen wir den
Teufel, Sir John. Ihr, ich und Benedicta.«
Cranstons Rülpser klang
wie ein Fanfarenstoß. »Verflucht, was soll das heißen, Mönch?«
»Abwarten.«
Jedes weitere Gespräch
erwies sich als unmöglich. Es war Markttag, und die Straßen von
Southwark waren voller Menschen; Athelstan mußte immer wieder
Pfarrkindern zuwinken.
»Grüß Euch,
Mylord Coroner!« blökten Pike, der Grabenbauer, und Tab, der
Kesselflicker, die mit Alekrügen in den Händen vor einer Schenke
hockten.
»Haut bloß ab!«
brüllte Cranston zurück; ihr spöttischer Ton entging ihm
nicht.
Sie kamen an der Taverne zum
Gescheckten vorbei. Cranston warf sehnsüchtige Blicke durch die
dunkle Tür und schloß die Augen, als er den Duft der würzigen
Pasteten schnupperte, die dort gebacken wurden. Aber Athelstan weigerte
sich anzuhalten. Schließlich mußten sie doch absteigen, um
durch das Gedränge um einen Ausrufer zu gelangen, der die Neuigkeiten
des Tages bekanntmachte.
»Die Franzosen sind in
Rye gelandet und haben die Kirche niedergebrannt! Der Lord Sheriff ist
tot, in seinem eigenen Garten ins Herz gestochen, genau wie Sir Thomas
Fitzroy tot ist und verwest wie viele der Fische, die er einst verkaufte!
Eine Hexe ward gesehen, wie sie flog über St. Paul, und ein Knabe mit
zwei Köpfen geboren in einem Haus bei
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