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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Clerkenwell!«
    Immer weiter sang der
     Ausrufer und rezitierte, was er erfahren hatte, eine Mischung aus
     Halbwahrheiten und Lügen. Athelstan und Cranston zogen weiter. Bei
     der Brücke machten die Gemüsehändler gute Geschäfte;
     den Blick starr auf die Ware gerichtet, gingen die Leute vorbei und
     runzelten nachdenklich die Stirn. Auf den Ständen türmten sich
     die verschiedensten Gemüse und Früchte: dunkelrote Liebesäpfel,
     Bündel von weiß glänzendem Lauch, Sellerie mit rosigen Strünken
     und hellgrünen Spitzen, die weißen Knollen der Pastinaken und
     Kastanien in sattbrauner Schale. Die Händler brüllten: »St.-Thomas-Zwiebeln!«
     und »Lauch, ganz frisch aus dem Garten!« Träger drängten
     sich mit zusammengebissenen Zähnen durch das Gedränge; ihre Wämse
     waren durchgeschwitzt, und unter überquellenden Kiepen halb gebückt
     kämpften sie sich voran. Ein Vogelhändler, dessen Stiefel rot
     vom Staub des Ziegelfeldes waren, stand neben einem Stapel von Käfigen
     und bot Hänflinge, Dompfaffen, Goldfinken und sogar
     Nester mit Eiern feil. Ein kleines Mädchen in schwarzen Lumpen
     verkaufte Brunnenkresse aus einem kleinen Faß. Sie sah so jämmerlich
     aus, daß Athelstan für zwei Pence bei ihr kaufte; Philomel
     mampfte die Kresse im Handumdrehen weg.
    Cranston und Athelstan
     bahnten sich ihren Weg durch das Treiben, vorbei an Ständen mit Käsekuchen,
     Kämmen, alten Hüten und Schweinsfüßen; ein Klingenhändler,
     der Beile schärfte, beschimpfte einen Marktbeamten, der bei ihm
     Steuern kassieren wollte. Vor einer Schenke saß das Marktgericht und
     regelte den Betrieb des Marktes - oder versuchte es wenigstens. Die Luft
     war schwer vom Qualm und Gestank der Gerberei und der dichtgedrängten,
     schwitzenden Menschenleiber.
    »Bei den Zähnen
     der Hölle!« schnaufte Cranston. »Das ist des Teufels Küche!«
    Sie mußten einen
     Augenblick haltmachen, weil eine Schar verdrossener Büttel versuchte,
     eine Legion von Katzen und streunenden Hunden zu vertreiben, die sich um
     einen Marktstand versammelt hatten, wo Innereien feilgeboten wurden. Ab
     und zu warf die alte Frau hinter dem Stand faulige, schmutzige
     Fleischbrocken weg, was den Appetit der Streuner nur noch mehr anregte und
     der alten Vettel die Verwünschungen und Flüche ihrer Händlerkollegen
     eintrug. Athelstan führte Philomel am Zügel durch das Getriebe
     und lächelte Cecily zu, die auf den Stufen vor dem Marktkreuz saß
     und ernst auf einen jungen Laffen in liederlicher Kleidung und fleckiger
     Hose einredete. Sie winkte Athelstan zu und bedachte Cranston mit einem
     verführerischen Gurren; dieser wandte sich grunzend ab. Plötzlich
     schoß der Arm des Coroners vor und packte einen zerlumpten, kahlköpfigen
     kleinen Mann, der sich mit einem Schoßhund im Arm durch die Menge drückte.
     Während Philomel Athelstan um mehr Brunnenkresse anbettelte, sah der
     Ordensbruder erstaunt, wie der kräftige Coroner den kleinen Mann am
     Schlafittchen packte und samt Schoßhund in die Höhe hob.
    »Ja, ja, wenn das nicht
     der alte Peterkin ist!« Cranston schüttelte den
     frettchengesichtigen Bettler. »Peterkin, der alte Hundefänger.
     Du rotznasiger kleiner Mistkerl! Was treibst du hier?«
    »Gar nichts, Sir John.
     Ich habe diesen Hund gefunden und suche seinen Besitzer.«
    Cranston schrie nach einem Büttel,
     und der triefäugige Beamte kam hastig heran.       
    »Ich bin Sir John
     Cranston, der Coroner. Und das hier« - er schob dem Büttel
     Peterkin und den Schoßhund in die Arme - »ist ein kleiner
     Scheißer, der durch die Stadt schleicht, einer Lady den Schoßhund
     klaut und ihn dann gegen Belohnung zurückbringt. Kümmere dich um
     ihn!«
    Cranston ließ den Büttel
     und Peterkin ohne ein weiteres Wort stehen und zwinkerte Athelstan zu; sie
     bogen um die Ecke und zogen die Hauptstraße zur London Bridge
     hinunter.
    Stock und Pranger zu beiden
     Seiten der Straße waren voll von Missetätern, Nachtschwärmern,
     Taschendieben und allerlei Lumpenkerlen aus Southwark. Manche ließen
     die Demütigungen und den Schmutz, mit dem die Vorübergehenden
     sie bewarfen, stoisch über sich ergehen, als wäre es ein
     Berufsrisiko; andere heulten und jammerten um Wasser. Athelstan musterte
     rasch die Gesichter und sah zu seiner Erleichterung, daß keines
     seiner Gemeindekinder dabei war.
    Am Zugang zur Brücke
     blieb Cranston stehen und hämmerte gegen die mit Eisennägeln
     beschlagene Tür

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