Der Zorn Gottes
Kraft in den Bauch. Als er sich umschaute, verschwand der dritte
Angreifer wie ein Hase in der Dunkelheit. Cranston lehnte sich auf sein
Schwert, sog die Nachtluft ein und betrachtete die beiden toten Angreifer.
»Tödliche Streiche«,
murmelte er.
Der eine lag mit dem Gesicht
nach unten auf den Pflastersteinen, der andere lehnte wie eine zerbrochene
Puppe an der Hauswand. Boscombe und Leif kamen herangehoppelt und starrten
entsetzt die beiden Leichen und einen vollkommen veränderten Sir John
Cranston an. Sein Gesicht war hart wie Eisen im flackernden Licht der
Fackel, die auf dem Pflaster lag, wo der eine Angreifer sie hingeworfen
hatte.
»Sir John.«
Boscombe berührte seinen neuen Herrn. »Sir John, es tut mir
leid, daß wir nicht helfen konnten.«
Cranston schüttelte den
Kopf. »Nein, ihr wart sehr klug«, antwortete er leise. »Aber,
Master Boscombe, ich danke dir für deine Sorge. Das war nichts, womit
der alte John nicht hätte fertigwerden können.«
»Aber warum?«
schnaubte Leif.
Ein bitteres Lächeln auf
den Lippen, schaute Cranston die Gasse hinunter. »Oh, ich weiß,
warum«, brütete er. »Und jetzt ist der alte John am Zug.«
Neun
Auch Athelstan brütete,
als er am nächsten Morgen nach der Messe auf den Altarstufen kniete.
Bonaventura nicht mitgerechnet, waren nur drei Pfarrkinder beim
Gottesdienst gewesen: Pemel, die Flamin, die Hure Cecily in ihrem bunten
Taftkleid und Benedicta, die eben gegangen war. Die Witwe hatte Athelstan
versprochen, Elizabeth Hobden und ihre Amme Anna am Vormittag zu den
Minoritinnen zu bringen.
Athelstan nagte an den
Fingerknöcheln und beobachtete die halb offene Kirchentür. Er
war zornig und gekränkt und hoffte nur, daß er sich bei der
bevorstehenden Begegnung würde beherrschen können.
Er bekreuzigte sich, stand
auf, als er Schritte hörte, und ging durch das Kirchenschiff auf
Pike, den Grabenbauer, zu, der voller Unbehagen am Taufbrunnen stand.
»Pater, Ihr habt mich
rufen lassen?«
»Ja, Pike, das habe
ich. Bitte mach die Tür zu.«
Pike ging zurück, schloß
die Tür und drehte sich erstaunt um, als sein sanfter Pfarrer plötzlich
wie ein angreifender Ritter auf ihn zugestürmt kam. Athelstan packte
Pike bei seinem schmierigen Wams und stieß ihn rückwärts
gegen die Tür. Der Mann wehrte sich nicht; die Wut, die in Athelstans
Augen loderte, versetzte ihn in Angst und Schrecken.
»Pater, was ist denn?«
stammelte er.
»Du verfluchter Judas!«
Athelstan schüttelte ihn.
»Pike, ich bin dein
Priester, und du hast mich verraten!«
»Was meint Ihr damit?«
Aber Athelstan sah die
Wahrheit im nervösen Blick des Grabenbauers. Er ließ ihn los,
stieß ihn von sich und ging das Kirchenschiff hinauf.
»Lüg nicht, Pike!«
donnerte er, und seine Worte hallten durch die Kirche. »Du weißt
verdammt genau, was ich damit meine! Du warst der einzige, der gesehen
hat, wie ich die Proklamation abgenommen habe, die Ira Dei an meine Tür
genagelt hatte.« Athelstan fuhr herum. »Ehrlich gesagt, glaube
ich, daß du sie dort angebracht hast! Na gut. Spiel du nur deine
dummen, gefahrlichen Spiele von Aufstand und der Errichtung des Reiches
Gottes hier in London. Aber sag mir, wissen deine Freunde, weiß die
Große Gemeinschaft des Reiches, weiß Ira Dei, daß du ein
Verräter bist? Ein Spitzel des John von Gaunt?« Athelstan kam
zurück. »Und was würde mit dir passieren, wenn sie es
herausfanden? Wie geht deine Geheimgesellschaft mit Verrätern um?«
Pike ließ hilflos die Hände
hängen, und Athelstans Zorn versiegte angesichts des blanken
Entsetzens in Miene und Haltung des Mannes. Er blieb dicht vor dem
Grabenbauer stehen.
»Um des Himmels willen,
Pike, ich habe deine Kinder getauft! Ich gebe dir das Sakrament, ich habe
dich bewundert, wie du von früh bis spät für einen
Hungerlohn arbeitest, um deine Familie zu ernähren.« Athelstan
holte tief Luft. »Du bist nicht wie ich, Pike. Ich habe keine
Familie, um die ich mir Sorgen machen muß. Aber du bist ein guter
Arbeiter, ein guter Ehemann, ein guter Vater. Um Gottes willen, warum
spielst du den Judas bei einem Mann, der nicht nur ein Priester ist, sondern dein
Freund? Konntest du mir nicht vertrauen?«
Pike wedelte hilflos mit den
Händen, und Tränen rannen über seine schmutzigen Wangen.
»Herr im Himmel!«
murmelte Athelstan. »Pike, ich will dir nicht
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