Der Zuckerkreml
die
Neunmalklugen. Aber wer hat euch den Schweinebraten zu Ostern beschafft? Und wer die
zwei Osterkuchen? Wer hat zur Taufe bei den Bojaren in Mytischtschi ein halbes Huhn
ersungen? Schon vergessen?
Sofron: Wollen wir uns jetzt gegenseitig
vorrechnen, was der Einzelne wo eingespielt hat? Ein halbes Huhn für den Gesang und
einen Sack für den A…
Soplja: Was geht’s dich an! Ist ja nicht
dein Sack!
Frolowitsch: Hört auf, genug gekabbelt.
Setzt euch, wir wollen tafeln.
Frolowitsch und Sofron entleeren den Inhalt dreier
Säcke auf das Wachstuch.
Frolowitsch: Also, hier sind abgenagte
Hühnerknochen aus dem »Goldenen Ei«. Such die schönsten aus, und ab in den Kessel
damit! So! ( Lacht froh. ) Da hab ich eine
hübsche Menge abstauben können. Und ganz ohne dass mir wer an die Gurgel fuhr!
Sofron: Wie du dich da reingestohlen hast,
ist mir ein Rätsel. Da steht doch immer ein Türhüter.
Frolowitsch: Der musste anscheinend mal … Da waren wir grad an der Tankstelle
gegenüber am Singen …
Wanjuscha: Richtig. Das vom Christkind. Und
keiner hat uns weggestoßen …
Frolowitsch: Wie ich mitkriegte, dass der
Türhüter weg war, bin ich sofort rüber und reingeschlüpft. Abgetaucht unter einen
Tisch. Geäugt: Da standen auf zwei Tischen vier Teller mit Resten!
Soplja: Schwein gehabt!
Frolowitsch: Bis das Serviermädel seinen
Wagen ranbugsiert hatte, war ich schon hingerobbt und hab die Knochen alle in meinen
Sack gestopft. Und keiner hat gebrüllt! Ich meinen Sack geschnappt und zur Tür. Erst
da haben sie mich entdeckt.
Sofron: Da hattest du Glück mit den
Wirtsleuten. Wie ich neulich bei den Chinesen auf der Pretschistenka in ihr
Shitang 4 schwänzeln gegangen bin, da entdeckten sie mich sofort und gaben mir einen
Stromstoß in den Arsch. Wahrscheinlich haben sie mich gerochen, die Hunde.
Frolowitsch (nickt): Es liegt immer am Geruch.
Soplja: Alles Übel kommt daher.
Wanjuscha: Wahr gesprochen. Wir riechen
anders als die anderen. Darum ekeln sich die Saubermenschen vor uns. Die Hündchen
dagegen, die sind nett zu uns. Sie verbellen die Sauberen.
Soplja: Was du immer mit deinen Hündchen
hast! Mich konnten die Köter noch nie riechen. Weder früher, wie ich sauber rumlief,
noch jetzt. (Wühlt in den Abfällen.) Und
was ist das?
Sofron: Ein Spielzeuggeschenk. Hat mir ein
kleiner Junge reingesteckt.
Soplja: Ist so ein Geschenk essbar?
Sofron: Keine Ahnung. Zeig mal her. (Greift nach dem Spielzeug – ein kleiner
Plastikpfannkuchen auf Beinen –, schraubt es auf: Drinnen steckt ein kleinerer
von selber Art.)
Pfannkuchen: Nihao! Nihaoa, shagua? 5
Sofron: Nishi shagua. 6 ( Klappt den Pfannkuchen wieder zu.) Wenn das Zao hörte, der tät ein Wörtchen mit dir reden … Nicht essbar, die Sache. (Wirft das Spielzeug ins Feuer.)
Frolowitsch: Das Brot bitte extra legen,
Freunde, wie üblich.
Soplja: Brot gab es reichlich.
Sofron: Stimmt … Aber dafür geben sie seit
Neuestem überhaupt kein Geld mehr.
Frolowitsch: Sind einfach zu viele Bettler
dazugekommen in Moskau. Da versiegt es.
Wanjuscha: Und wieso auf einmal,
Frolowitsch?
Frolowitsch: Weil sie dumm sind. Alles
strömt nach Moskau und denkt, das Geld wird ihnen vor die Füße geworfen.
Sofron: Wanja, das hab ich dir doch schon
mal erklärt: Es sind deshalb so viele Bettler geworden, weil auf den Dörfern mehr
gebrandschatzt wird. Früher traf es nur die Bojaren, und das auch nur in Moskau.
Jetzt werden ganze Dörfer abgefackelt, damit der Bojare für seine Untergebenen die
Verantwortung übernimmt. Kapiert?
Wanjuscha: Kapiert, Sofronjuschka.
Frolowitsch: Und wer abgebrannt ist, dem
fällt nix Bessres ein, als nach Moskau zu gehen! Dann muss man sich nicht wundern,
dass keiner mehr was gibt!Auf der Twerskaja ist kein Durchkommen
vor lauter Bettlern. Da soll einer genug Geld in der Tasche haben für die alle!
Wanjuscha: Die Abgebrannten zieht es
deswegen nach Moskau, weil da so viele Menschen sind. Von denen könnte man jeden
Einzelnen um eine milde Gabe angehen, so denken sie sich.
Sofron: Angehen schon. Aber was kriegen?
Frolowitsch: Die Moskauer haben Herzen aus
Eis. Die kannst du mit Tränen nicht erweichen. Und unsere Lieder sind ihnen
schnuppe.
Sofron: Das ist wohl wahr. Lieder werden
heutzutage nicht mehr gehört. Vor einem Jahr ging das noch, heute nicht mehr. Der
selige Zao hat schon recht gehabt: Man müsse von Moskau weg ins Umland
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