Der Zuckerkreml
ziehen, sagte
er immer. Da seien die Leute barmherziger. Das hat sich nun gezeigt. Auf dem Dorf
wird zwar kein Geld gegeben, aber jede Menge Brot. Also ziehen wir über Land, Gott
sei gepriesen.
Wanjuscha: Zao war ein kluger Mann. Weißt du
noch, Soplja, wie er zu dir sagte: lieber betteln als stehlen?
Soplja (macht sich am brodelnden Kessel zu schaffen): Natürlich weiß ich das noch … da schau, es kocht schon. Betteln ist
jedenfalls weniger gefährlich. Aber trinken möchte man ja auch was. Und Wodka tut
dir keiner in den Sack.
Sofron: Mein Gott, du mit deinem Wodka
immer. Kein Tag vergeht, an dem du nicht von dem Dreckszeug redest.
Frolowitsch: Wodka macht einen schweren Kopf und weiche Knie.
Wanjuscha: Mein Papa hat zu Lebzeiten gern
einen Wodka getrunken. Er brennt so schön.
Sofron: Er brennt und schmeckt nicht. Wie man das Zeug überhaupt
runterkriegt, frage ich mich.
Frolowitsch: Der Mensch nimmt alles in den
Mund.
Soplja: Ich trink nun mal gern einen Wodka.
Zumal im Winter. Er bringt Hitze ins Blut.
Sofron: Sein Geld in Wodka anzulegen, das
fehlte noch. Eine einzige Abscheulichkeit. Und ohne jeden Nutzen. Was ist, Brüder,
wollen wir uns ein bisschen Spaß machen?
Frolowitsch, Vanjuscha, Soplja (zücken ihre Löffel und scharen sich um den
Kessel): Au ja. Spaß!
Sofron zieht einen Lappen aus der Tasche, faltet
ihn auseinander. Zum Vorschein kommt eine kleine Packung mit weichen Ampullen.
Darauf ein lebendes Bild: Auf eines Mannes Kahlkopf beginnen unversehens Blumen
zu sprießen, der Mann lacht, öffnet den Mund, dem Mund entfleuchen zwei goldene
Hieroglyphen: xingfu 7 .
Frolowitsch: Wie viele sind es?
Sofron (seufzend): Sieben.
Soplja: Das langt nicht mal für zwei
Mahlzeiten.
Wanjuscha: Wieso sieben? Es waren doch zehn?
Sofron: Drei haben wir gestern den Polypen
in Perchuschkowo abgelassen, vor der Armenküche. Weißt du nicht mehr?
Wanjuscha: Gestern?
Sofron: Gestern. Während ihr das Lied vom
Räuber Kudejar sanget, Frolowitsch und du.
Frolowitsch: Das hat er nicht mitgekriegt.
Die Polypen traten stumm vor uns hin, Sofron hat ihnen drei von den Dingern
zugesteckt. Damit sie wieder gehen. Und das taten sie dann.
Wanjuscha: Aha. Das hab ich anscheinend
wirklich nicht mitbekommen. Ihr habt auch nichts gesagt.
Frolowitsch: Wozu unnötig ein Wort darüber verlieren.
Soplja nimmt den Kessel vom Feuer, Sofron
platziert ein Stück Brett in die Mitte des Wachstuches, Soplja setzt den Kessel
darauf ab. Frolowitsch holt Löffel heraus, verteilt sie.
Sofron: Was meint ihr, Brüder, schmeißen wir
fünf rein und heben zwei auf? Oder gleich alle sieben?
Frolowitsch: Zweie machen uns den Kohl
morgen sowieso nicht fett. Das bringt nur Enttäuschungen.
Soplja: Sehe ich genauso.
Sofron: Ich auch.
Wanjuscha: Sieben – ist das nicht ein
bisschen viel?
Sofron: Da geht die Post schneller ab.
Wanjuscha: Wie du meinst, Sofronjuschka.
Sofron bricht die Ampullen und schüttet den Inhalt
in den Eintopf; dann holt er ein Fläschchen mit dunkelroter Flüssigkeit hervor
und träufelt aus ihm siebzig Tropfen in den Kessel.
Sofron (zu Soplja): Gib den Zucker.
Soplja wühlt in seinen Taschen, zieht eine
Zellophantüte hervor. Entdeckt, dass sie leer ist.
Sofron: Wo ist der Zucker?
Soplja (gräbt in der Tasche nach): Herrje, die
Tüte war nicht verknotet. Er ist rausgerieselt …
Frolowitsch: Und in der Tasche?
Soplja zieht das Taschenfutter hervor; an seinem
Ende klafft ein Loch.
Soplja: Ich hab den Zucker verloren …
Verzeiht mir, Brüder.
Frolowitsch versetzt Soplja mit der Krücke einen
Schlag.
Sofron: Du Drecksstück! Wie sollen wir das
jetzt runterkriegen?
Soplja: Verzeiht, Brüder, es war nicht mit
Absicht. Nein. Bestimmt nicht.
Frolowitsch: So eine Ausgeburt! Kann man dir eigentlich noch irgendetwas
anvertrauen? Was glaubst du, wo wir jetzt Zucker hernehmen? Du hinkst gefälligst zur
Bahnstation und holst Zucker, aber hopp! Zack, zack, du elende Ratte!
Wanjuscha: Ich hab Zucker.
Sofron: Was, wie? Woher?
Wanjuscha: Ich hab doch den Zuckerturm.
Wisst ihr nicht mehr? Ein Mädchen hat ihn mir geschenkt auf dem Markt in Wnukowo. (Fährt sich mit der Hand in die Tasche, zieht
das Türmchen eines Zuckerkremls hervor.) Wir wollten ihn aufheben.
Wortlos schauen die Sehenden auf den Turm.
Wanjuscha: Sofronjuschka, gib ihn in die
Suppe.
Sofron: Ist’s denn nicht schad drum? So ein
hübsches
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