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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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suchten, um ihre Haut wenigstens so teuer wie möglich zu verkaufen. Rasch ging er hinab, um ihnen aufzumachen, und nun bekam das Haus ein Besatzung, einen Hauptmann, einen Korporal und acht Mann, alle außer sich vor Wut und entschlossen, sich nicht zu ergeben.
    »Sieh mal, Laurent! Sie sind auch dabei!« rief Weiß überrascht, als er einen großen, mageren Burschen unter ihnen erblickte, der ein einem Toten abgenommenes Gewehr in der Hand hielt.
    Laurent mit seiner blauleinen Jacke und Hose war ein Gärtnerbursche aus der Nachbarschaft; er war ungefähr dreißig Jahre alt und hatte kürzlich seine Mutter und seine Frau verloren, die von dem gleichen bösartigen Fieber hingerafft waren.
    »Warum soll ich nicht auch dabei sein?« antwortete er. »Ich habe ja nichts als meinen Kadaver, und den kann ich ja wohl hingeben... Und dann, wissen Sie, es macht mir Spaß, denn ich schieße nicht schlecht, und es ist zu ulkig, mit jedem Schuß einen von diesen Teufeln da kaputt zu machen!«
    Der Hauptmann und der Korporal sahen sich bereits dasHaus an. Im Erdgeschoß war nichts zu machen; sie mußten sich damit begnügen, hier nur Möbel vor Türen und Fenster zu schieben, um sie so fest wie möglich zu verrammeln. Dann aber brachten sie in den drei kleinen Zimmern im ersten Stock und auf dem Boden die Verteidigung in Ordnung, wobei sie übrigens die von Weiß bereits getroffenen Vorbereitungen völlig billigten; er hatte Matratzen hinter die Fensterläden gestellt und an einzelnen Stellen Schießscharten zwischen den Brettern angebracht. Als der Hauptmann wagte, sich vorzubeugen, um die Umgegend zu prüfen, hörte er ein Kind jämmerlich weinen.
    »Was ist denn das?« fragte er.
    Da sah Weiß wieder in der benachbarten Färberei den kleinen kranken August mit seinem purpurroten Fiebergesicht in den weißen Laken, wie er zu trinken haben wollte und nach seiner Mutter rief, die ihm nicht mehr antworten konnte, denn sie lag mit zerschmettertem Schädel auf den Steinen. Diese Erinnerung veranlaßte ihn zu einer schmerzhaften Bewegung und er antwortete:
    »Ein armes Kerlchen da drüben, dessen Mutter von einer Granate totgeschlagen ist und der nun weint.«
    »Herrgottsdonnerwetter!« murmelte Laurent. »Dafür sollen sie aber teuer bezahlen.«
    Vorläufig trafen nur verirrte Kugeln das Haus. Weiß und der Hauptmann waren mit dem Gärtnerburschen und zwei Mann auf den Boden gestiegen, von wo sie die Straße besser übersehen konnten. Sie sahen schräg über sie hinweg nach dem Kirchplatz. Dieser war jetzt im Besitz der Bayern; aber sie gingen immer noch nur vorsichtig und mit äußerster Klugheit vor. Fast eine Viertelstunde lang hielt eine Handvoll Infanteristen an einer Straßenecke sie noch im Schach,die ein derartiges Feuer unterhielten, daß die Toten in Haufen dalagen. Dann lag noch in der andern Ecke ein Haus, dessen sie sich erst bemächtigen mußten, ehe sie weiter vorstoßen konnten. Hin und wieder konnte man in dem Rauche eine Frau erkennen, die mit einem Gewehr aus einem der Fenster feuerte. Es war das Haus eines Bäckers; ein paar Soldaten waren in ihm zurückgeblieben und hatten sich mit den Einwohnern zusammengetan; als das Haus genommen war, hörten sie Geschrei, und ein entsetzliches Gedränge wälzte sich bis an die Mauer gegenüber in einem Strom, aus dem der Rock der Frau, eine Männerjacke, gesträubtes weißes Haar hervorsahen; dann rollte eine Salve, und Blut spritzte bis auf die Mauerkrone hinauf. Die Deutschen waren unerbittlich: jedes mit den Waffen in der Hand ergriffene menschliche Wesen, das zu keinem kriegführenden Truppenteil gehörte, wurde als außerhalb des Völkerrechts stehend auf der Stelle erschossen. Durch den wütenden Widerstand wuchs ihr Zorn noch, und die schrecklichen Verluste, die sie seit fast fünf Stunden zu erleiden hatten, reizten sie zu grausigen Vergeltungsmaßregeln. Die Rinnsteine liefen rot dahin, Tote versperrten die Straße, einzelne Plätze glichen reinen Leichenhaufen, aus denen Röcheln hervortönte. Dann sah man, wie sie in jedes Haus, das sie mit Gewalt nahmen, sofort angezündetes Stroh hineinwarfen; andere Soldaten liefen mit Fackeln umher, wieder andere besprengten die Mauern mit Petroleum; bald standen ganze Straßenzüge in Brand, und Bazeilles ging in Flammen auf.
    Mitten im Orte stand jetzt nur noch Weiß' Haus mit seinen geschlossenen Fensterläden und bewahrte sein drohendes Aussehen einer Zitadelle, die sich unter keinen Umständen ergeben will.
    »Achtung! Da

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