Der Zusammenbruch
Brot zu essen zu bekommen; denn Jean hatte bei dem Schlosse Villette eine Frau entdeckt, die welches für zehn Francs das Pfund verkaufte. Aber an diesem Tage wohnten sie einem scheußlichen Vorgange bei, dessen Erinnerung in ihnen noch lange nachspukte.
Chouteau hatte am Tage vorher bemerkt, daß Pache gar nicht klagte, sondern eine schlaue, zufriedene Miene zur Schau trug wie jemand, der seinen Hunger gestillt hat. Sofort war ihm der Gedanke gekommen, der Heimtücker müßte irgendwo ein Versteck haben, um so mehr, als er ihn sich heute morgen entfernen und nach einer Stunde ungefähr mit einem Lächeln um den vollen Mund zurückkommen sehen. Er hatte sicher irgendwo im Getümmel unverhofft einen guten Fund getan oder Vorräte erwischt. Und Chouteau hetzte nun Loubet und Lapoulle auf, den letzteren vor allen Dingen. Nicht wahr? So'n dreckiger Kerl, was zu essen zu haben und dann nicht mal mit den Gefährten zu teilen.
»Wißt ihr, heute abend gehen wir hinter ihm her. Wollen doch mal sehen, ob er sich allein das Maul zu stopfen wagt, wenn wir armen Teufel neben ihm verrecken.«
»Ja, ja, richtig, wir wollen hinter ihm hergehen!« wiederholte Lapoulle heftig. »Dann wollen wir schon sehen!«
Er ballte die Fäuste; schon die Hoffnung auf Essen machte ihn verrückt. Sein Riesenhunger quälte ihn mehr als die andern; seine Qualen wurden derart, daß er versuchte Gras zu essen. Schon seit zwei Tagen, seit der Nacht, als das Pferdefleisch mit den roten Rüben ihm einen gräßlichen Durchfall beigebracht hatte, war er nüchtern; er war mit seinem großen Körper trotz seiner Stärke so ungeschickt, daß er bei der Drängerei bei der Plünderung der Lebensmittel nie etwas abkriegte.
Mit seinem Blute hätte er für ein Pfund Brot bezahlt.
Als die Nacht hereinbrach, glitt Pache zwischen den Bäumen beim Glaireturm dahin, und die drei andern schlichen vorsichtig hinter ihm her.
»Er darf keine Ahnung davon haben,« sagte Chouteau immer wieder. »Vorsicht, wenn er sich umdreht.«
Aber hundert Schritte weiter glaubte sich Pache offenbar in Sicherheit, denn er fing nun an, rasch auszuschreiten, ohne auch nur einen Blick nach rückwärts zu werfen. Und so konnten sie ihm leicht bis in die benachbarten Steinbrüche folgen und kamen ihm gerade auf den Buckel, als er zwei große Steine lockerte, um ein halbes Brot darunter hervorzunehmen. Das war das Ende seiner Vorräte; er konnte gerade noch eine Mahlzeit davon halten.
»Du gottverdammter Duckmäuser!« brüllte Lapoulle, »da versteckst du dich also! ... Sofort gib das her, das ist mein Teil.«
Sein Brot hergeben, warum denn? So schwächlich er auch war, jetzt übermannte ihn der Zorn und er preßte das Stück Brot mit aller Kraft gegen seine Brust. Er hatte auch Hunger.
»Laß mich zufrieden, hörst du? Das gehört mir!«
Dann aber riß er vor Lapoulles geballter Faust aus und lief von den Steinbrüchen nach den kahlen Feldern auf der Seite von Donchery hinunter. Schnaufend folgten ihm die drei andern, so schnell ihre Beine laufen wollten. Aber er gewann Raum, da er leichter war als sie und von einer derartigen Furcht gepackt und so versessen auf die Wahrung seines Eigentums war, daß er wie vom Winde getragen schien. Fast einen Kilometer hatte er zurückgelegt und näherte sich dem kleinen Gehölz am Rande des Wassers, als er auf Jean und Maurice stieß, die aus ihrem Nachtlager kamen. Im Vorbeilaufen tönte ihnen sein Notschrei entgegen, aber sie waren von dieser in wütender Eile an ihnen vorbeihastenden Menschenjagd derart verdutzt, daß sie wie angewurzelt neben einem Felde stehenblieben. Und nun sahen sie alles mit an.
Das Unglück wollte, daß Pache an einen Stein stieß und hinfiel. Schon kamen die drei andern fluchend und heulend heran und sahen so, durch ihren Lauf angeregt, wie auf ihre Beute losgelassene Wölfe aus.
»Gib das her, Gotts verdammt!« schrie Lapoulle, »oder ich gebe dir dein Teil!«
Und er hob von neuem die Faust, als Chouteau ihm das aufgeklappte Messer hinreichte, die winzige Klinge, die ihm zum Schlachten des Pferdes gedient hatte.
»Hier! Das Messer!«
Aber nun stürzte Jean herbei, um ein Unglück zu verhindern, und rief, er würde sie alle in den Block bringen; daraufhin behandelte Loubet ihn mit üblem Lachen als Preußen, sie hatten keine Führer mehr, und nur die Preußen hätten zu befehlen.
»Gottsdonnerwetter!« wiederholte Lapoulle, »willst du das hergeben!«
Trotzdem er vor Schrecken blaß geworden war, preßte Pache
Weitere Kostenlose Bücher