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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Strömung. Er schwamm mit langsamen Stößen vorwärts und suchte offenbar nach einer Stelle, wo er landen könnte; auf der andern Seite dagegen unterschieden sie sehr scharf die Schattenrisse der unbeweglich dastehenden Posten. Plötzlich fuhr ein Heller Schein durch die Nacht und ein Schuß rollte bis zu den Höhen von Montimont. Das Wasser kochte einfach auf, als ob zwei Ruder es plötzlich wie wild schlügen.
    Und das war alles; Lapoulles Körper, das weiße Hemd begann einsam und sanft den Strom hinabzutreiben.
    Am folgenden Morgen, einem Sonnabend, brachte Jean Maurice gleich nach Sonnenaufgang zum Lagerplatz der 106er, da er von neuem hoffte, sie würden abgehen. Aber es war kein Befehl dazu da; das Regiment war scheinbar vergessen worden. Viele waren schon abgegangen, und die Zurückgelassenen verfielen einer unheilvollen Krankheit. Seit acht langen Tagen keimte und wuchs der Wahnsinn in dieser Hölle. Das Aufhören des Regens, der drückende, bleierne Sonnenschein änderten nur die Form ihres Leidens. Die außerordentliche Hitze hatte die Leute ganz erschöpft und verlieh den Fällen von Dysenterie das Aussehen einer beunruhigenden Seuche. Der Abfall, der Auswurf dieses ganzen kranken Heeres verpestete die Luft mit ansteckenden Ausdünstungen. Sie konnten nicht länger an der Maas oder dem Kanal entlanggehen, so furchtbar stark war hier der Verwesungsgeruch der zwischen den Sträuchern verfaulenden Pferde und Menschen. Und die auf den Feldern an Entkräftung zugrunde gegangenen Pferde gerieten in Verwesung und strömten einen derartigen Pesthauch aus, daß die Preußen ansingen für sich selbst zu fürchten und den Gefangenen Hacken und Schaufeln brachten und sie zwangen, die Kadaver zu begraben.
    Diesen Sonnabend nahm übrigens der Mangel ein Ende. Da sie jetzt viel weniger zahlreich waren und Lebensmittel von allen Seiten heranströmten, so gingen sie mit einem Schlage von äußerster Entbehrung zum üppigsten Überfluß über. Brot, Fleisch, selbst Wein hatten sie, soviel sie wollten; von Sonnenaufgang bis Untergang aßen sie zum Sterben. Die Nacht brach herein und sie aßen immer noch, und sieaßen weiter bis zum nächsten Morgen. Viele starben an den Folgen.
    Tagsüber hatte Jean nur die eine Sorge, auf Maurice aufzupassen, den er jeder Torheit für fähig hielt. Er hatte getrunken und redete davon, er wolle einen deutschen Offizier ohrfeigen, damit sie ihn wegbrachten. Und da Jean am Abend in einem der zum Glaireturm gehörigen Gebäude einen leeren Kellerwinkel entdeckt hatte, hielt er es für das Vernünftigste, hier mit seinem Gefährten zu schlafen, denn eine gute Nacht würde ihn vielleicht beruhigen. Aber das wurde die scheußlichste Nacht ihres ganzen Aufenthaltes, eine Schreckensnacht, in der sie kein Auge schließen konnten. Andere Soldaten füllten den Keller, und in einer Ecke hatten sich sogar zwei niedergelegt, die vor Erschöpfung durch Dysenterie starben; und da vollständige Dunkelheit herrschte, hörten ihre dumpfen Klagen und undeutlichen Schreie gar nicht auf, das Röcheln ihres Todeskampfes nahm immerfort zu. In der tiefen Finsternis wurde dies Röcheln so gräßlich, daß die andern Leute, die neben ihnen lagen und schlafen wollten, ärgerlich wurden und den Sterbenden zuschrien, sie sollten ruhig sein. Die aber hörten natürlich nicht, das Röcheln ging immer von neuem weiter und übertönte alles andere; von draußen aber drang das Gebrüll ihrer betrunkenen Gefährten herein, die immer noch aßen, ohne satt werden zu können.
    Nun bekam Maurice Herzbeklemmungen. Er hatte versucht, den schrecklichen Schmerzensschreien zu entfliehen, die ihm den Angstschweiß über die Haut rieseln ließen; aber als er sich tastend erhob, trat er nur auf Gliedmaßen und fiel wieder hin, eingemauert mit den Sterbenden. Nun versuchte er gar nicht mehr zu entkommen. Von der Abfahrt von Reims an bis zu der Vernichtung bei Sedan stand das ganzegräßliche Unglück wieder in ihm auf. Es schien ihm, als dränge der Leidensweg der Heeresgruppe von Châlons sich in dieser einen Nacht zusammen, in dieser tintenschwarzen Nacht in dem Keller hier, wo die beiden Soldaten durch ihr Todesröcheln die Gefährten am Schlafen hinderten. Das Heer der Verzweiflung, die als Sühnopfer vorgeschickte Menschenherde hatte auf jeder ihrer Raststellen mit Strömen ihres roten Blutes für die Fehler aller gebüßt. Und jetzt verfiel sie, ruhmlos hingeschlachtet, angespien von allen Seiten, unter unverdient harten

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