Der Zusammenbruch
der Herr nicht zu Hause war, machte er nicht gern auf aus Furcht vor Schaden, für den er verantwortlich gemacht werden könnte. Jetzt aber kam zu seinem Glück gerade im selben Augenblick Vater Fouchards Karren die abschüssige Straße herab, der Trab des Pferdes war durch den Schnee gedämpft worden. Und nun nahm der Alte die drei Männer in Empfang.
»Ah, schön! Ihr drei seid's ... Was bringt ihr mir denn da auf dem Karren?«
Sambuc, der magere Schnapphahn, hatte sich in eine blauleinene, viel zu weite Bluse eingewickelt und hörte gar nicht auf ihn, denn er ärgerte sich über Prosper, seinen ehrenhaften Herrn Bruder, wie er ihn nannte, der sich jetzt erst hatte entschließen können, die Tür aufzumachen.
»Sag mal, du, hältst du uns für Bettler, daß du uns bei einem derartigen Wetter so da draußen stehen läßt?«
Aber Prosper blieb ganz ruhig; er zuckte, ohne zu antworten, die Achseln und zog das Pferd und den Karren herein, während Vater Fouchard sich abermals über den Schiebkarren beugte und dazwischenfuhr.
»Ach so, das sind zwei verreckte Hämmel, die ihr mir da bringt ... 's ist nur gut, daß es friert, sonst würden sie wohl nicht gut riechen.«
Cabasse und Ducat, Sambucs zwei Leutnants, die ihn auf allen seinen Unternehmungen begleiteten, wandten sich gegen ihn.
»Oh!« meinte der erste mit dem lebhaften Geschrei des Provenzalen, »die sind noch keine drei Tage alt ... Die Viecher sind auf Raffins' Hof gestorben, da haben sie ein scheußliches Sterben unter dem Vieh.«
»Procumbit humi bos«
, sagte der andere her, der frühere Gerichtsvollzieher, den sein lebhafter Geschmack für kleine Mädchen heruntergebracht hatte und der lateinische Brocken liebte.
Vater Fouchard fuhr mit einem Kopfnicken fort, die Ware herunterzusetzen, und tat so, als sei sie schon zu weit. Und indem er mit den drei Männern in die Küche trat, schloß er:
»Schließlich müssen sie wohl damit zufrieden sein ... Gut, daß sie in Raucourt auch kein Rippenstück mehr haben. Wenn man Hunger hat, nicht wahr, dann ißt man alles!«
Und im Grunde entzückt, rief er rasch nach Silvine, die gerade wiederkam, nachdem sie Karlchen zu Bett gebracht hatte.
»Gib uns Gläser, wir wollen eins auf Bismarcks Verrecken trinken!«
So unterhielt Fouchard gute Beziehungen zu den Franktireurs aus dem Walde von Dieulet, die seit beinahe drei Monaten in der Dämmerung aus ihrem Dickicht herauskamen und dann herumstreiften, überall die Preußen auf den Straßen umbrachten und ausraubten, wo sie sie nur überraschen konnten, und sich dann auf die Höfe schlugen und die Bauern brandschatzten, sobald es an feindlichem Wild zu fehlen begann. Sie waren der Schrecken der Dörfer, und das um so mehr, als für jeden Angriff auf einen Begleittrupp, für jeden ermordeten Posten die deutschen Behörden sich an den umliegenden Flecken rächten, die sie des Einverständnisses beschuldigten, und sie mit Bußen belegten, außerdem aber die Ortsvorsteher gefangen wegschleppten und die Weiler verbrannten. Und wenn die Bauern Sambuc und seine Bande trotz ihrer Neigung dazu nicht auslieferten, so geschahes einfach aus Furcht, an irgendeiner Wegebiegung eine Kugel abzukriegen, wenn die Sache schief ging.
Er, Fouchard, war auf den ungewöhnlichen Gedanken verfallen, mit ihnen Handel zu treiben. Da sie das Land nach jeder Richtung durchstreiften, und zwar die Gräben sowohl als die Ställe, so waren sie seine Versorger mit verrecktem Vieh geworden. Kein Rind oder Hammel kam im Umkreise von drei Meilen um, ohne daß sie das Aas nachts aufhoben und ihm zuschleppten. Er bezahlte sie in Mundvorrat, Brot vor allem; ganze Öfen voll mußte Silvine besonders für sie backen. Und wenn er die Franktireurs übrigens auch nicht besonders gern hatte, so bewunderte er sie doch heimlich als geschickte Galgenvögel, die ihre Geschäfte unbekümmert um alle Welt besorgten; und wenn er auch aus seinem Handel mit den Preußen ein Vermögen zog, so lachte er doch innerlich wild auf, wenn er hörte, daß wieder einer von ihnen am Wege mit durchschnittener Kehle gefunden war. »Eure Gesundheit!« begann er wieder und stieß mit den drei Männern an.
Dann wischte er sich die Lippen mit der umgekehrten Hand ab:
»Sagt mal, die haben ja eine ganze Geschichte daraus gemacht, aus den beiden Ulanen, die sie da dicht bei Villecourt ohne Kopf gefunden haben ... Ihr wißt doch, Villecourt steht seit gestern in Flammen: den Urteilsspruch haben sie über das Dorf verhängt, wie sie
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