Der Zusammenbruch
sagen, um sie dafür zu strafen, daß sie euch aufgenommen haben ... Müßt verständig sein, wißt ihr, und nicht gleich wieder hingehen. Wir bringen euch euer Brot da hinten hin.«
Sambuc spottete laut und zuckte die Achseln. Ach, Quatsch! Die Preußen mochten laufen. Mit einemmal aber wurde er ärgerlich und schlug mit der Faust auf den Tisch.
»Gottsdonnerwetter! Die Ulanen, das ist noch was Ordentliches; aber der andere da, den möchte ich wohl mal so unter vier Augen vornehmen, den andern, den Spion, der bei Euch gedient hat ...«
»Goliath«, sagte Vater Fouchard.
Silvine, die eben ihre Näherei wieder aufgenommen hatte, hielt ganz ergriffen ein und hörte zu.
»Richtig, Goliath! ... Ach, der Gauner! Der kennt die Wälder um Dieulet wie ich meine Tasche; der ist dazu fähig, uns da eines Morgens packen zu lassen; und gerade weil er heute im Malteserkreuz damit geprahlt hat, er wollte es uns schon vor acht Tagen arg besorgen! ... Das Dreckschwein hat damals bei Beaumont ganz sicher die Bayern geführt, nicht wahr? Ihr da?«
»So wahr, wie die Kerze da uns Licht gibt!« bestätigte Cabasse.
»Per amica silentiae Lunae«
, setzte Ducat hinzu, dessen Aussprüche sich manchmal etwas verhedderten.
Aber Sambuc brachte den Tisch mit einem abermaligen Faustschlage zum Erzittern.
»Er ist verurteilt, wir haben über ihn zu Gericht gesessen, der Strolch! ... Wenn Ihr mal eines Tages merkt, wo er durchkommt, dann sagt mir doch Bescheid, und sein Kopf soll die Ulanenschädel in der Maas wiederfinden, ach, Gottsdonnerwetter! Jawohl! Dafür bürge ich Euch.«
Nun entstand Stillschweigen. Silvine sah sie mit starren Augen an, ganz blaß.
»Das sind doch alles solche Geschichten, von denen man nicht reden sollte,« fing Vater Fouchard schlau wieder an. »Eure Gesundheit und auf Wiedersehen! Guten Abend!«
Sie hatten die zweite Flasche geleert. Prosper war aus demStalle zurückgekommen und legte auch mit Hand an, um von Silvine in einen Sack gesteckte Brote an Stelle der beiden Hammel auf den Karren legen zu helfen. Aber er antwortete nicht einmal und drehte sich um, als sein Bruder und die beiden andern weggingen und mit dem Karren im Schnee verschwanden, indem sie erwiderten:
»Gleichfalls schönen guten Abend und viel Vergnügen!«
Als Vater Fouchard sich am nächsten Tage nach dem Frühstück allein befand, sah er mit einem Male Goliath selbst, groß, dick, mit seinem ruhigen Lächeln auf dem rosigen Gesicht, vor sich. Wenn er sich von dessen plötzlichem Erscheinen auch überrascht fühlte, so ließ er sich das doch nicht merken. Er plierte mit den Augenlidern, während der andere herantrat und ihm bieder die Hand schüttelte.
»Guten Tag, Vater Fouchard!«
Er tat so, als ob er ihn nun erst erkenne.
»Sieh, du bist's, mein Junge! ... Oh! Du bist noch kräftiger geworden! Wie fett du bist!«
Und nun sah er ihn von oben bis unten an, wie er da so mit einer Art Rock aus dickem, blauem Tuch und einer Mütze aus demselben Stoffe vor ihm stand, großartig und selbstzufrieden. Er sprach übrigens ohne jede fremde Betonung mit der etwas klebenden Langsamkeit der Bauern jener Gegend.
»Gewiß, ich bin's, Vater Fouchard ... Ich wollte doch nicht wieder herkommen, ohne Euch mal guten Tag zu sagen.«
Der Alte blieb mißtrauisch. Was hatte er vor, der Mensch da? Hatte er davon gehört, daß die Franktireurs gestern auf dem Hofe gewesen wären? Er wollte schon sehen. Aber trotzdem, solange der da höflich blieb, war es besser, seine Höflichkeit zu erwidern.
»Das war recht, mein Junge, und weil es sehr nett von dir ist, laß uns erst mal einen nehmen.«
Er machte sich die Mühe, selbst zwei Gläser und eine Flasche zu holen. All der Wein, der so getrunken wurde, machte ihm das Herz bluten; aber beim Geschäft mußte man es verstehen, auch einmal etwas anzubieten. Und so wiederholte sich der Vorgang vom Abend vorher, sie stießen mit denselben Bewegungen und denselben Worten miteinander an.
»Eure Gesundheit, Vater Fouchard!«
»Die deinige, mein Junge!«
Dann ließ sich Goliath als alter Freund gehen. Er sah um sich her wie jemand, der sich mit Freuden alle Vorgänge wieder ins Gedächtnis zurückruft. Er sprach übrigens gar nicht über die Vergangenheit, ebensowenig wie über die Gegenwart. Das Gespräch drehte sich lediglich um die große Kälte, die doch Feldarbeiten stark beeinträchtigen müsse; der Schnee hatte glücklicherweise auch sein Gutes, denn er tötete die Insekten. Kaum daß er ganz leise einen
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