Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
Entschluß gekommen, leise seine Tür zu öffnen. Obwohl er sich sonst nie über Geräusche auf dem Hofe beunruhigt gefühlt hatte, waren ihm doch schließlich das viele Gehen und Kommen und die mancherlei Stimmen, die er gehört hatte, sonderbar erschienen. Und gerade bei ihm, in seiner ruhigen Kammer, brach Silvine zusammen, mit fliegenden Haaren, schluchzend und so von Schmerz übermannt, daß er zunächst ihre abgerissen zwischen den Zähnen hervorgestotterten Worte gar nicht verstehen konnte. Sie wiederholte immer dieselbe Bewegung, wie um eine häßliche Erscheinung von sich wegzuscheuchen. Endlich begriff er und sah nun auch seinerseits den Hinterhalt, das Halsabschneiden, die Mutter dabeistehend, den Kleinen an ihren Röcken hängend und zusehend, wie seinem Vater die Kehle abgeschnitten wurde und das Blut herabfloß; und ganz vereist blieb auch er stehen, sein Bauern- und Soldatenherz von Jammer überwältigt. Ach! Der Krieg, dieser abscheuliche Krieg, der all die armen Leute in wilde Bestien verwandelte, der den scheußlichsten Haß säte, den Sohn vom Blute des Vaters bespritzt werden ließ und so den Rassenstreit verewigte; er mußte ja später in einem derartigen Abscheu gegen die väterliche Familie heranwachsen, daß er vielleicht eines Tages ausziehen würde, um sie zu vernichten! Saaten des Verbrechens, aus denen eine Ernte des Schreckens hervorgehen mußte.
    Auf einen Stuhl gesunken und Karlchen mit wilden Küssen bedeckend, wiederholte Silvine ohne Ende ein und denselben Ausdruck, den Schrei ihres blutenden Herzens.
    »Ach, mein armer Junge, jetzt können sie dich nicht längereinen Preußen schimpfen ... Ach, mein armer Junge, jetzt können sie dich nicht länger einen Preußen schimpfen!«
    Jetzt trat auch Vater Fouchard gerade in die Küche. Er hatte als Herr des Hauses angeklopft, und sie mußten ihm wohl öffnen. Er fühlte sich nicht gerade angenehm überrascht, als er den Toten auf seinem Tische fand und einen Kübel voll Blut darunter. Natürlich wurde er bei seiner wenig geduldigen Sinnesart wütend.
    »Sagt mal, ihr Schweinigel, hättet ihr eure Schmutzereien nicht auch draußen vornehmen können? Was? Haltet ihr denn mein Haus für einen Misthaufen, daß ihr mir meine Sachen mit solchen Geschichten verschmiert?«
    Als Sambuc sich nun entschuldigte und ihm den Vorgang erklärte, wurde der Alte von Furcht ergriffen und fuhr nur noch aufgeregter fort:
    »Und dann denkt ihr wohl, ich soll ihn beiseite schaffen, euren Toten da? Haltet ihr das für anständig, bei jemand einen Toten abzuladen, ohne ihn zu fragen, was er mit ihm machen will? Laßt nur mal 'nen Streiftrupp hereinkommen, und ich läge schön drin! Ihr macht euch nichts draus, ihr fragt nicht danach, ob ich nicht mein Fell dabei lassen muß ... O ja! Da kriegt ihr es aber mit mir zu tun, wenn ihr mir euren Toten da nicht sofort mitnehmt! Hört ihr! Nehmt ihn beim Kopf, bei den Pfoten, wo ihr wollt; aber daß da nichts liegen bleibt und daß hier in drei Minuten auch kein Haar mehr von ihm zu finden ist!«
    Schließlich erhielt Sambuc von Vater Fouchard einen Sack, obwohl ihm das Herz blutete, daß er noch auch etwas dafür hergeben sollte. Er suchte ihn unter den schlechtesten aus und sagte dabei, ein Sack mit Löchern drin wäre immer noch gut genug für einen Preußen. Nun hatten Cabasse und Ducat unglaublicheMühe, Goliath in den Sack hineinzuzwängen: der Körper war zu dick und zu lang, die Füße standen immer nach drüber hinaus. Dann brachten sie ihn hinaus und luden ihn auf den Karren, der ihnen zum Wegbringen ihres Brotes diente.
    »Ich gebe Euch mein Ehrenwort,« erklärte Sambuc, »wir besorgen ihn richtig in die Maas.«
    »Vor allem«, bestand Vater Fouchard, »bindet ihm ein paar ordentliche Steine an die Pfoten, damit der Satan nicht wieder hochkommt.«
    Und in der Nacht, die so dunkel über dem bleichen Schnee dalag, zog der kleine Zug von dannen und verschwand ohne weiteres Geräusch als das leise klagende Quietschen des Schiebkarrens.
    Sambuc wird stets beim Haupte seines Vaters schwören, er hätte ihm ein paar ordentliche Steine an die Pfoten gebunden. Indessen, der Körper kam wieder hoch; die Preußen fanden ihn nach drei Tagen bei Pont-Maugis in den dichten Sträuchern; und sie hatten eine gewaltige Wut, als sie diesen Toten aus dem Sack hervorholten, der wie ein Schwein am Halse abgestochen war. Es hagelte die schrecklichsten Drohungen, Quälereien, Haussuchungen. Zweifellos mußten wohl ein paar Einwohner

Weitere Kostenlose Bücher