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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und kalte Überlegung. Später könnte man sich lange darüber unterhalten; die Niederlage war trotz alledem unabänderlich wie die Gesetze der Kräfte, die die Welt lenken.
    Und da las Maurice mit träumerischem, verlorenem Blick da hinten an der Mauer plötzlich wieder den Ruf: HochNapoleon! in Kohle auf der gelben Mauer. Er empfand ein unerträgliches Unbehagen, brennende Stiche durchbohrten ihm das Herz. So wurde Frankreich mit seinen sagenhaften Siegen, das unter Trommelschlag durch ganz Europa gezogen war, von einem verachteten Volke wirklich auf den ersten Hieb gefällt? Fünfzig Jahre hatten genügt, die Welt hatte sich geändert, fürchterlich brach die Niederlage über die ewigen Sieger herein. Und er dachte an alles, was sein Schwager Weiß ihm in der angstvollen Nacht vor Mülhausen gesagt hatte. Ja, der allein sah also klar und ahnte, was die langsam im Verborgenen wirkenden Ursachen unserer Schwäche waren, ahnte allein den frischen Wind der Jugendkraft, der von Deutschland herüberwehte. Ging nicht ein Zeitalter des Krieges zu Ende und brach nicht ein neues an? Wehe dem Volke, das bei dem fortdauernden Wettbewerb ins Zögern geriet; der Sieg gehörte denen, die an der Spitze marschierten, den gesündesten, den kräftigsten!
    In diesem Augenblick aber ertönte Gelächter, das Lachen eines im Scherz überwundenen Mädchens. Es war Leutnant Rochas, der in der alten verräucherten Küche voll Vergnügen über die Epinaler Bilderbogen als erobernder Krieger das hübsche Dienstmädchen im Arme hielt. Er erschien in der Laube, wo er sich einen Kaffee geben ließ; und da er die letzten Worte Picots und Coutards gehört hatte, mischte er sich heiter ins Gespräch:
    »Ach, Kinder, das macht ja alles gar nichts! Der Tanz fängt ja erst an; ihr sollt nächstens mal die Sorte von verflixter Revanche sehen ... Donnerwetter, bis jetzt stehen sie ja fünf gegen einen! Aber die Geschichte kommt schon andersrum, ich gebe euch mein Wort darauf! ... Wir sind hier dreihunderttausend Mann. Alle Bewegungen, die wir ausführenund die wir jetzt noch nicht verstehen, die sollen alle nur die Preußen auf uns ziehen, während Bazaine sie beobachtet und dann mit einemmal beim Schwanze packt ... Dann werden wir sie schon plattschlagen, schwapp! wie die Fliege hier!«
    Mit einem lauten Klapp hatte er eine Fliege im Fluge zwischen den Händen zerquetscht; seine Freude wurde immer lauter; in vollster Unschuld glaubte er auch an diesen so einfachen Plan und wurde durch seinen Glauben an den unbesiegbaren Mut wieder ins Gleichgewicht gebracht. Er gab den beiden Soldaten zuvorkommend den genauen Standplatz ihres Regiments an und machte es sich dann bei seiner Tasse Kaffee, eine Zigarre zwischen den Zähnen, bequem.
    »Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite, Kameraden!« antwortete Maurice, als Coutard und Picot sich entfernten, indem sie ihm für seinen Käse und die Flasche Wein dankten.
    Er ließ sich nun auch eine Tasse Kaffee geben und betrachtete den Leutnant, der ihn durch seine schöne Fröhlichkeit gewonnen hatte, etwas überrascht allerdings über die dreihunderttausend Mann, da doch kaum hunderttausend da waren, und über die einzigartige Leichtigkeit, mit der er die Preußen zwischen den Heeresgruppen von Châlons und Metz zerquetschte. Aber ihm selbst war ja auch etwas Einbildung so nötig. Warum sollte er nicht auch noch hoffen, da die ruhmreiche Vergangenheit noch so laut in seinem Innern nachklang? Die alte Kneipe war so heiter mit ihrem Lattenwerk, von dem die leuchtenden Trauben Frankreichs, von der Sonne vergoldet, herunterhingen. Wieder kam eine Stunde des Vertrauens über ihn und überwog die große dumpfe Traurigkeit, die sich allmählich in ihm angehäuft hatte.
    Einen Augenblick folgten Maurices Augen einem Offiziervon den Chasseurs d'Afrique und seinem Meldereiter, die beide in scharfem Trabe an der Ecke des schweigsamen Hauses, das von dem Kaiser bewohnt wurde, verschwanden. Als dann der Meldereiter allein wieder erschien und mit den beiden Pferden vor der Tür der Kneipe anhielt, entfuhr ihm ein Schrei des Erstaunens.
    »Prosper! ... und ich glaubte, Ihr wär't in Metz!«
    Es war ein Mann aus Remilly, ein einfacher Dienstknecht, den er schon als Kind gekannt hatte, als er noch die Ferien beim Ohm Fouchard zubrachte. Der war ausgelost und stand schon drei Jahre in Afrika, als der Krieg ausbrach; er sah sehr gut aus in seiner himmelblauen Weste und den weiten roten Hosen mit den blauen Streifen und dem

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