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Der zweite Gral

Der zweite Gral

Titel: Der zweite Gral Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris von Smercek
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wäre. Obwohl Wolken den Himmel verdeckten, erkannte sie, dass sie von dichtem Gestrüpp umgeben war. Sie kämpfte sich hindurch, hörte das Plätschern des nahen Seeufers und fiel auf die Knie.
    In einem Kilometer Entfernung stand Leighley Castle in Flammen. Eine brennende Ruine. Weite Teile der Außenmauer und die meisten Gebäude waren eingestürzt. Wie hatte das geschehen können?
    Gleichsam als Antwort auf diese Frage zuckte ein greller Lichtstrahl über dem See auf und hielt pfeilgerade auf die Burg zu. Wie in Zeitlupe näherte der Strahl sich dem traurigen Rest der einst prächtigen Festung. Er traf den Westturm und riss ihn in einer gigantischen Explosion in tausend Stücke. Ein Feuerpilz wälzte sich gen Himmel und erhellte für einen Moment die Szenerie. Jetzt erkannte Lara die Ursache der Katastrophe: zwei Hubschrauber, die wie große stählerne Libellen über dem nachtschwarzen Loch Arkaig schwebten.
    Lara kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Es waren zwei Maschinen gleichen Typs. Keine kleinen Kaliber, sondern Kampfhubschrauber. Zuerst tippte Lara auf Sikorsky Black Hawks, doch dann sah sie die aus dem Rumpf ragenden Seitenflügel mit den Waffenhalterungen, und sie erkannte, dass es sich um eine Mil Mi-24 handelte. Ein russisches Modell, besser bekannt unter der NATO-Bezeichnung Hind-A.
    Die Hubschrauber feuerten noch vier weitere Salven auf Leighley Castle ab. Wer immer die Verantwortung dafür trug, wollte sichergehen, dass niemand in diesem Steingrab überlebte. Endlich drehten die beiden Hinds ab. Dicht über der Wasseroberfläche nahmen sie Kurs nach Nordwesten und tauchten in eines der Täler ein, die von den Zuflüssen des Loch Arkaig in die Hügel geschnitten worden waren. Lara sah ihnen nach, bis sie von der Schwärze der Nacht verschluckt wurden.
    In Murlaggan, am gegenüberliegenden Seeufer, brannte in sämtlichen Häusern Licht. Das kleine Dorf war so hell erleuchtet, dass Lara am Bootssteg sogar die heftig gestikulierenden Einwohner erkennen konnte.
    Sie fragte sich, wie lange es dauern würde, bis ein Polizei- oder Rettungshubschrauber hier eintraf. Oder bis die Fischer mit ihren Booten herübergefahren kamen, um nach Verschütteten zu suchen. Viel Zeit blieb ihr wohl nicht, denn sie wollte von niemandem gesehen werden. Es war besser, wenn in den morgigen Zeitungen stand, dass es bei dem Anschlag keine Überlebenden gegeben habe. Hielt man Lara für tot, würde man sie nicht weiter verfolgen.
    Wieder schweifte ihr Blick zu den rauchenden Trümmern. Wie soll es jetzt weitergehen?, fragte sie sich. In einem verborgenen Winkel ihres Gehirns regte sich etwas. Sie erinnerte sich an ihre erste Ordenssitzung vor einem halben Jahr. Emmet Walsh hatte ihr damals ein geheimes Versteck in den Bergen gezeigt. Eine mit einem Holztor verschließbare Felsenhöhle, die zu einer Art Behelfsunterkunft umfunktioniert worden war. Emmet hatte behauptet, die Höhle sei mit allem ausgestattet, was man benötige, um ein paar Tage unterzutauchen.
    Lara musste dorthin! Sie musste in die Berge und erst einmal wieder einen klaren Kopf bekommen. Ausruhen. Sich sammeln. Nachdenken. Soweit sie sich erinnerte, befand die Höhle sich ungefähr drei oder vier Kilometer nördlich von Leighley Castle. In einer Nacht wie dieser stand ihr mit Sicherheit ein ungemütlicher, feuchtkalter Spaziergang bevor, doch sie hatte keine Wahl. Irgendwie würde sie das Versteck schon finden. Mit unsicheren Schritten machte sie sich auf den Weg.

13.
    L ara schreckte aus dem Schlaf hoch und glaubte im ersten Moment, all die schrecklichen Dinge nur geträumt zu haben. Zumindest hoffte sie es. Dann aber fühlte sie die kalte Steinwand neben sich und wusste plötzlich, dass sie sich in dem Höhlenversteck befand, von dem Emmet ihr erzählt hatte.
    Der Angriff auf die Burg hat also tatsächlich stattgefunden, dachte sie. Ihr Kopf dröhnte und fühlte sich dumpf an. Heute Nacht hatte sie zum zweiten Mal im Leben alles verloren.
    Nach dem Angriff war sie drei Stunden lang in den Bergen umhergewandert, den Steinmarkierungen folgend, die nur Eingeweihten den Weg wiesen. Das war gar nicht so einfach gewesen, denn in der Dunkelheit hatte man kaum etwas erkennen können. Dann aber hatte sie endlich das Versteck erreicht, sich ihr Nachtlager gerichtet und noch eine Zeit lang nachgegrübelt, bis sie endlich eingeschlafen war.
    Jetzt fühlte sie sich wie gerädert.
    Sie tastete nach dem Feuerzeug und zündete damit die Kerze an, die in

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