Der Zweite Messias
in Richtung der jordanischen Grenze.
129.
Der Flugplatz befand sich in der Wüste, gut zwanzig Kilometer von der jordanischen Grenze entfernt in der Nähe des Toten Meeres. Doch der Flugplatz wurde seit langer Zeit nicht mehr benutzt. Auf dem eingerissenen Beton wuchs Unkraut, und Eidechsen, Schlangen und Skorpione tummelten sich in den halb verfallenen Gebäuden. Der heulende Wüstenwind fegte Kameldornbüsche über das Rollfeld. Vor mehr als zwanzig Jahren hatte die jordanische Luftwaffe die Landebahn zum letzten Mal gewartet. Der Kontrollturm war eine verfallene Ruine. Sämtliche Fenster waren zerbrochen, die Türen herausgerissen.
Vor zwei Stunden hatte hier ein Konvoi aus Lastwagenangehalten. Zwei Dutzend Beduinen waren von den Ladeflächen gesprungen. Zwei Laster fuhren mit eingeschalteten Scheinwerfern langsam die Landebahn entlang, während die Männer Kies und Steine vom Beton fegten und alles zur Seite räumten, was nicht hierher gehörte, bis die Landebahn vom Unrat gereinigt war.
Ein junger Mann mit Brille und einer beduinischen Kopfbedeckung überprüfte die Windrichtung. Es wehte nicht die geringste Brise an diesem frühen Morgen; die Landebedingungen waren nahezu perfekt. Der junge Mann stieg in einen der Laster und fuhr zum Ende der Landebahn. Dann setzte er den Laster ein paar Meter zurück in die Wüste, ehe er hielt und aus der Fahrerkabine sprang. Er ging zur Ladefläche und zog eine wasserdichte Plane zur Seite. Darunter kam ein Funkgerät mit Parabolantenne zum Vorschein, das mit einem tragbaren Generator und einem Laptop verbunden war.
Als der junge Mann den Laptop einschaltete, fuhren seine Kameraden in zwei anderen Lastern die Landebahn entlang. Sie hielten alle zwanzig Meter und stellten batteriebetriebene Leuchtfeuer an den Rand der Piste. Anschließend versammelten sie sich am Ende der Landebahn und kochten auf einem verbeulten Primuskocher Tee.
Der junge Mann schaute auf die Daten, die auf dem blauen Monitor des Laptops angezeigt wurden, als das Instrumentenlandesystem geladen wurde. Ein Motor surrte und richtete die Parabolantenne so aus, dass der Gleitweg in einem perfekten Drei-Grad-Winkel gesendet wurde. Ein paar Minuten später war das Setup des Computers abgeschlossen.
Der junge Mann nickte zufrieden, sprang vom Lastwagen und gesellte sich zu seinen Kameraden.
130.
Yasmin blickte aus dem ovalen Fenster auf der Steuerbordseite. Das schwache orangerote Licht der Morgendämmerung fiel in die Kabine. Yasmin und Jack waren allein, denn Hassan und der Serbe hatten sich in eine Kabine im Heck der Maschine verzogen.
Yasmin lehnte sich zurück und musterte Jack. »Du willst sicher wissen, warum ich dich hereingelegt habe.«
»Ich würde lügen, wenn ich behaupte, dass es mich nicht interessiert. Wie ist eigentlich dein richtiger Name?«
»Fawzi.«
»Ich sage weiterhin Yasmin zu dir, das ist einfacher für mich. Außerdem ist der Name schöner.«
Sie zuckte mit den Schultern. Im sanften Licht der Kabine sah sie noch hübscher aus. »Wir wissen beide, was Trauer ist, Jack. Du hast deine Eltern verloren, und ich meine. Weißt du, wie meine Eltern gestorben sind?«
»Nein.«
Yasmins Augen verschleierten sich. »Ich war fünf. An dem Tag, als mein Vater starb, fuhr meine Mutter nach Jerusalem – angeblich, um Trost bei ihrer Schwester zu suchen. Doch sie erhängte sich, weil sie die Demütigung nicht ertragen konnte, ihre Kinder ohne Ehemann großziehen zu müssen. An diesem Tag brach für mich eine Welt zusammen.«
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte Jack betroffen.
»Nidal und ich wären vermutlich in der Gosse gelandet und verhungert, wäre Hassan nicht gewesen. Wir hätten uns keinen besseren Bruder wünschen können. Er hat gebettelt, gestohlen und gehungert, damit wir zu essen hatten. Er hat jede Arbeitangenommen, damit wir zusammenbleiben konnten, und hat alles für uns getan. Dabei war er selbst fast noch ein Kind.«
»Dann hast du ihm also aus einem Pflichtgefühl heraus geholfen?«
»Du sagst das so spöttisch.«
»Das war nicht meine Absicht. Es war nur eine Feststellung.«
»Natürlich habe ich ihm geholfen. Er hat mich gewaschen, gekleidet und hat mir die Liebe gegeben, die meine Eltern mir nicht mehr geben konnten. Und als er es zu etwas gebracht hatte, ermöglichte er mir die beste Ausbildung, die man für Geld bekommen kann. Hassan ist keine Bestie, Jack. Er ist ein guter Mensch, dem schreckliches Leid zugefügt wurde. Sein Herz und seine Seele wurden
Weitere Kostenlose Bücher