Der Zweite Messias
winkte ab. »Ich weiß, dass Sie kein Mörder sind, Mr. Cane. Das liegt Ihnen nicht im Blut. Eine solche Anschuldigung ist ungerecht. Darum möchte ich Ihnen helfen. Meine jüngste Tochter weiß etwas.«
Jack horchte auf. »Und was?«
Das beduinische Stammesoberhaupt klatschte in die Hände. Die alte Frau kehrte zurück und öffnete die Zelttür.
»Hol Safa her«, befahl Josuf.
19.
Das Mädchen war höchstens zehn Jahre alt und hatte auffallend hübsche, kakaobraune Augen. Es trug ein einfaches Baumwollgewand und ein dünnes Kopftuch. »Vater«, sagte es und verneigte sich vor Josuf.
»Setz dich zu mir, Safa. Erzähl meinen Freunden alles, was du gesehen hast.«
Das Mädchen setzte sich neben seinen Vater. Als es zögerte, drückte ihr Vater seine Hand. »Sag es ihnen, mein Kind.«
Safa schaute Yasmin und Jack an; dann sagte sie auf Arabisch: »Heute bin ich mit zwei meiner Brüder vor Sonnenaufgang aufgestanden, um die Ziegenherden meines Vaters zu hüten, wie wir es immer tun. Ich war bei der Herde hinter den roten Felsen. Heute Morgen habe ich gesehen, dass jemand Ihr Camp verlassen hat und an den Felsen vorbei in die Wüste gegangen ist.«
Jack wusste, welche Stelle das Mädchen meinte. Die roten Felsen waren ein Halbkreis aus dicken, rostfarbenen Felsbrocken, die eine natürliche Grenze zur Wüste bildeten.
»Sprich weiter, Safa«, drängte ihr Vater sie. »Wen hast du gesehen?«
»Ich konnte nicht erkennen, ob es ein Mann oder eine Frau war, denn es war noch nicht hell genug. Doch die Person blieb hinter den Felsen stehen, wo zwei Männer neben einem Auto warteten. Die Person gab den beiden Männern irgendetwas und kehrte schnell ins Camp zurück. Dann sind die beiden Männer weggefahren.«
Jack, mit einem Mal aufgeregt, warf Yasmin einen raschen Blick zu, ehe er das Mädchen fragte: »Bist du ganz sicher?«
»Ja, ganz sicher.«
»Es war nicht das erste Mal, dass meine Tochter die beiden Männer gesehen hat«, meldete Josuf sich zu Wort.
»Wie bitte?«
Josuf nickte seiner Tochter zu. »Erkläre es ihnen, Safa.«
»Mein Onkel Walid kennt die beiden Männer.«
Ehe Jack nach Einzelheiten fragen konnte, tätschelte Josuf den Arm seiner Tochter.
»Lass uns allein, Safa«, sagte er. »Geh zurück zu deiner Mutter. Alles andere erzähle ich.«
»Ja, Vater.« Das Mädchen verneigte sich und ging hinaus.
»Was ich Ihnen jetzt sage, ist nicht für die Ohren meiner Tochter bestimmt, Mr. Cane.«
»Ich verstehe nicht …«
»Ich muss Ihnen etwas gestehen. Sie kennen meinen Bruder Walid nicht. Er wohnt nicht weit von hier. Über die Jahre hinweg hat er Reste alter Pergamente in den Höhlen hier gefunden. Er hat es den Israelis niemals erzählt. Stattdessen hat er die Bruchstücke an einen syrischen Schwarzmarkthändler verkauft …«
Als Josuf zögerte, senkte Jack den Kopf. »Ich höre zu. Bitte fahr fort.«
»Die beiden Männer, die meine Tochter gesehen hat, kamen manchmal aus Damaskus hierher, um Walids Fragmente zu kaufen.«
»Woher weißt du das?«
»Safa hat einen der beiden Männer beschrieben, und auch den alten weißen Mercedes, den sie gefahren sind. Sie hat sich hinter den Felsen versteckt, als der Wagen vorbeikam. Das Gesicht des Beifahrers konnte sie nicht sehen, aber er war ein Mann mittleren Alters mit grauem Bart und trug einen großen weißen Panamahut, der mit einem schwarzen Band verziert war. Die Beschreibung passt zu einem der Männer, mit dem Walid schon oft Geschäfte gemacht hat. Er kam meistens in einem weißen Mercedes hierher.«
»Wer sind die Männer?«
»Kriminelle aus der syrischen Unterwelt. Manchmal kaufen sie Artefakte von den Beduinen, um sie dann gewinnbringend an reiche Sammler weiterzuverkaufen.«
»Sind diese beiden Männer ebenfalls Beduinen?«
Josuf nickte. »Sesshafte Beduinen. Sie bestechen die Posten, damit sie die Grenzen passieren dürfen.«
»Weißt du, mit wem sie zusammenarbeiten?«
»Mit jemandem von meinem Stamm jedenfalls nicht, sonst wüsste ich davon. Ich habe Walid angerufen. Er ist in Jerusalem und besucht Freunde. Er glaubt, dass die beiden Männer entweder aus freien Stücken hierherkamen, um die Schriftrolle zu stehlen, oder dass sie es gemeinsam mit jemandem geplant hatten, der bei den Ausgrabungen mitarbeitet. Walid sagt, die Männer seien skrupellos genug, dass sie den Professor getötet haben könnten.«
Jack dachte über die Worte des Beduinen nach; dann fragte er skeptisch: »Warum ist deine Tochter so sicher, dass es dieselben
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