Der Zweite Messias
gegründet, um die Kultur der katholischen Kirche zu bewahren und ihreDokumente zu katalogisieren. Die Archive umfassen Regale von über fünfundachtzig Kilometer Länge. Einige kostbare lateinische, griechische und hebräische Texte sind Tausende von Jahren alt.«
Einer der Wachposten schaute auf einen Tisch in der Nähe und das aufgeschlagene Besucherbuch. Der Mann bot seinen Gästen schweigend einen Stift an.
»Unterschreiben Sie bitte«, forderte Kelly sie auf.
Sie trugen sich ins Buch ein. Als Jack dem Kardinal den Stift reichen wollte, sagte dieser: »Das ist nicht nötig. Der Archivar protokolliert meinen Besuch. Außerdem filmen die Kameras innerhalb und außerhalb des Gebäudes jeden, der die Bibliothek betritt und verlässt.«
Jack ließ den Blick schweifen. »Ich bin beeindruckt«, sagte er. »Jetzt kann ich mir vorstellen, wie Carter sich gefühlt haben muss, als er König Tutanchamuns Grabkammer zum ersten Mal betreten hat.«
Kelly holte unter seiner Soutane eine Magnetkarte hervor und zog sie durch den Schlitz eines Scanners neben der Metalltür. Sie sprang zischend ein paar Zentimeter auf, worauf ein langer Gang sichtbar wurde. »Das ist ein Privileg, das nur wenigen gewährt wird«, sagte er. »Folgen Sie mir.«
67.
Sie folgten Kelly bis ans Ende des Gangs und stiegen dann ein paar Stufen hinauf, die zu einem Treppenabsatz und einer zweiten Stahltür führten. Kellys Gesicht war von der Anstrengung gerötet. Er blieb kurz stehen, um zu verschnaufen. »DasGeheimarchiv liegt hinter dieser Tür«, sagte er. »Der vollständige lateinische Name lautet ›Archivum Secretum Apostolicum Vaticanum‹. Es gehört zu den größten und am besten bewachten Archiven der Welt.«
Das Zyklopenauge einer Sicherheitskamera über der Tür beobachtete sie.
Erneut schob Kelly seine Magnetkarte in den Schlitz und stieß die Tür auf. Sie führte in einen großen Raum, der größtenteils in kleine Glas- oder Plexiglaskabinen unterteilt war. In jeder Kabine leuchtete ein blaues Licht. Der Raum selbst war mit unzähligen Regalen ausgestattet, auf denen Register, Kataloge und Aktenboxen sowie Pergamentbündel mit Wachssiegeln standen.
»Das hier ist der Hauptbereich der Vatikanischen Bibliothek«, erklärte Kelly. »Das blaue Licht dient dazu, die Dokumente vor schädlichen Strahlen zu schützen, während darin gelesen wird.«
Sie stiegen die Treppe zu einer Reihe von Verkaufsautomaten hinunter, die Snacks, Mineralwasser, Soda und Coca-Cola anboten. Kelly zeigte auf eine große Tür, vor der ein junger Wachmann an einem Tisch saß. Auf einem Plastikschild über der Tür stand: ACCESSO LIMITATO.
»Der Bereich, den wir suchen, liegt hinter dieser Tür. Er wird in der Öffentlichkeit als ›Geheimarchiv‹ bezeichnet. Hier befindet sich das gesamte Material, das mit den Schriftrollen vom Toten Meer zu tun hat. Dazu gehört auch Pater Kubels Bericht.«
»Warum wird der Bericht hier aufbewahrt?«
»Weil die Schriftrollen ursprünglich streng geheim gehalten wurden. Man hatte die Befürchtung, bestimmte Texte könnten falsch interpretiert werden, oder die christliche Lehre könnte Schaden nehmen. Doch der Tag, an dem das gesamte Material der Schriftrollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist möglicherweise nicht mehr fern.«
»Woher wissen Sie das?«
»Nennen wir es Insiderwissen. Unser neuer Papst ist ein Verfechter der Wahrheit und Ehrlichkeit. Aber noch gelten die alten Regeln. Der Bericht, den Sie sich ansehen möchten, muss innerhalb der Bibliothek gelesen werden. Kein Dokument darf diese Räume verlassen.«
Kelly ging auf die große Tür zu. Jack wunderte sich über die Aktivität in dem großen Raum. Dutzende Geistliche in Priesterroben schufteten wie Arbeiterbienen. Sie saßen an Tischen oder in den Glaskabinen mit dem blauen Licht. Einige hoben kurz den Blick und schauten zu den Besuchern hinüber.
Kelly blieb vor der großen Tür stehen. »Als ich jünger war, habe ich hier als Archivar gearbeitet; deshalb kenne ich mich gut aus. Unterschreiben Sie in dem Buch und folgen Sie mir.«
Der Wachmann reichte Jack und Yasmin einen Stift, damit sie sich ins Besucherbuch eintragen konnten. Kelly öffnete die Tür und führte sie in einen weiteren großen Raum, in dem gedämpftes Licht brannte. Es roch nach alten Dokumenten. An den mit Eichenholz getäfelten Wänden standen Regale, die bis unter die Decke mit Pergamenten, Aktenboxen und Registern vollgestopft waren. Auch hier saßen mehrere Priester,
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